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nis. Daher steht neben der Wahrheit Irrtum, neben der Schönheit
Häßlichkeit, neben dem Guten Böses, neben der Liebe Haß.
Aus der sittlichen Schwäche des Geistes folgt allerdings nicht
seine Vergänglichkeit, denn die Überzeitlichkeit bleibt ihm; aber
doch die Möglichkeit, von der Materie gereizt, geweckt zu werden,
in der Sinnesempfindung, ja überwältigt zu werden, in der Krank-
heit. Denn wo Schwäche ist, kann auch ein Erliegen sein.
Der Zerstreuer:
Du hast nur zu sehr recht. Das Unvollkommene erfüllt die geistige
Welt. Sieht man genau zu, so findet man, daß alles im Leben brüchig
sein könne.
Diese Wahrheit ist der glimmende Funke aller Religion und Meta-
physik, die Triebkraft, Hilfe von oben zu suchen.
Der Sammler:
Es folgt aus der Zerrüttung des Geistes noch mehr: auch eine
Zerrüttung der Materie.
Der Zerstreuer:
Wie hinge das zusammen?
Der Sammler:
Wie neben dem überirdischen Glanze des Geistes sein Ungenügen
steht und was daraus folgt, so in der Natur neben der Willigkeit
und Wirtlichkeit die Katastrophen und das Feindliche. Das Grausige
in der Natur neben ihren Entzückungen ist keinem unbekannt.
Wie das zusammenhängt ? Der einfache Begriff, zu dem wir jetzt
zurücklenken, macht es uns klar und erhellt es blitzartig — durch
Entsprechung.
Wie innerhalb des Geistes sich Liebestaten, Gedanken, Gestalten,
Strebungen entsprechen, aufeinander abgestimmt sind: so ist auch
die Materie als Ganzes eine Entsprechung des Geistes.
Der Zerstreuer:
Erkläre dich näher.
Der Sammler:
Versteht man das Verhältnis von Geist und Materie aus der Ver-
bindung mit den immateriellen Wurzeln, dann wird es auch nicht
schwer, Geist und Natur als ein höheres Ges amtganze s zu ver-
stehen. Und wie innerhalb jeder artgleichen Ganzheit Entsprechung
herrscht, so auch innerhalb einer Gesamt-Ganzheit artungleicher