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für sich hat, ist dies beim Schönen nicht der Fall. Gerade nach Spann
ist „schön“ und „unschön“ keineswegs ein solch klarer Gegensatz
wie „wahr“ und „falsch“. Überspitzt ausgedrückt ist — wie dargestellt
und noch darzustellen — das „Schöne“ auch das „Unschöne“, je
nachdem, wie Eingebung, Rückverbundenheit und Gestaltung sich
zu konkretisieren vermögen. Der Kern der Kunstphilosophie liegt
eben darin, daß entgegen der bisherigen Ästhetik das Schöne auch
„unschön“ im herkömmlichen psychologischen und damit ober-
flächlichen Sinn sein kann; eine wahrhaft großartige Erkenntnis.
Hingegen ist die Bestimmung des Schönen als Fortgestaltung der
Urgestalt ein auf Platon bezugnehmendes Ergebnis. Diese Fortgestal-
tung wirkt von der Ureingebung durch alle auch fernere Gestalten in
der Weise der Entsprechungen fort und begründet die Einheit des
Kunstwerkes. Die Urgestalt aber ist es, die allem künstlerischen
Leben die Wirklichkeit gibt. Die Gestalten haben einen Gliederbau,
in welchem die Vermittlung des Eingebungsgehaltes durch die
Gestalt erfolgt. Bleibt die Gestalt hinter der Eingebung zurück, so
ist das Schöne dürftig (Bd 19, 114 ff.). Wo aber Gliederung ist, muß
auch Umgliederung sein, das heißt, die Gestalten entfalten sich in der
Zeit. Hiebei muß auf das Festhalten der Eingebung geachtet werden
(insbesondere in der Musik und in der Dichtung), soll das Zeitkunst-
werk nicht auseinanderfallen. Der Umgliederung entspringt die
Spannung des Kunstwerkes. Diese Erkenntnis kann gleichermaßen
auf das Bildkunstwerk angewendet werden, welches sich ja wesens-
gemäß vordergründig im Sinne einer Zeitgestaltung zu entfalten ver-
mag. Auch dort wird nämlich bei Versenkung in das bildnerische
Kunstwerk eine zeitliche Spannung und Lösung des Vorher und
Nachher offenbar und damit ein Vorher und Nachher auch im Bilde
als zeitlicher Ablauf klar. Auf diese Tatsache, daß das Bildkunstwerk
Zeitlichkeit immanent in sich trägt, ist oft genug hingewiesen worden.
In der Hereinnahme des Zeitelementes auch in die bildende Kunst
wird erst die Einheit des Werkes begründet, sodaß auch hier das Um-
gliederungsgesetz als Gesetz des Schicksals wirksam wird.
Nahezu im gesamten Schrifttum über die Kunst haben Ausfüh-
rungen über Phantasie und Einbildung eine tragende Bedeutung.
Auch die viel angewendeten und ebenso schillernden Begriffe von Ge-
fühl und Vorstellung hängen damit zusammen und werden als unzu-