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II. Stil und Stilgeschichte

Als Stil bezeichnet Spann das Gesamtgepräge des Kunstwerkes

(Bd 19, 207 ff.). Die Verschiedenheit der Stile wird damit erklärt,

daß die Eingebung den Gegenstand von verschiedenen Seiten her

nehme. Es kommt auf die Eingliederung der Eingebung in den je-

weiligen geistigen Zusammenhang an. Woher aber diese Vorgegeben-

heit? Diese Frage bleibt offen. Worauf ist es zurückzuführen, daß über

die Kulturkreise aller Zeiten und räumlichen Bereiche hinweg die ver-

blüffendsten Entsprechungen entstehen? Durch Heranziehung der

formalen Kategorie der Ebenbildlichkeit kann diese Frage an sich

nicht gelöst werden. An ihr erhellt aber, daß die jeweiligen Ein-

gebungen, die zu ähnlichen künstlerischen Ergebnissen führen, aus

ähnlichen oder zumindest vergleichbaren Inhalten der Ideenwelt

stammen, die sich auf Grund der nämlichen Rückverbundenheit

im Gestalten niederschlagen, und auch dieses zu verwandten Ergeb-

nissen führt.

Stile sind die verschiedenen Weisen, um den Gestalten der über-

sinnlichen Welt näherzukommen. Die Gedanken hierüber werden

am Beispiel des klassischen und romantischen Stils entwickelt.

Dort sei Klarheit und Durchgliederung der Gestaltung, hier etwas

Schwebendes, Unbestimmtes, Seltsames. Der Stil Homers sei er-

haben, der Stil der griechischen Vasen sei auf die Sternenreligion

zurückzuführen und stelle eine hohe Kunst dar. Lauter bedeutende

Hinweise und Erkenntnisse, ebenso wie die in einem Zusatz ent-

haltenen Bemerkungen über Goethes Stil (Bd 19, 126). Stilwandel

(= Stilgeschichte) hängt von den Eingebungsinhalten und den Rück-

verbundenheiten der verschiedenen Kunstzeitalter und Kulturen ab.

Es fehlt aber die Ausführung hiezu, daß es sich — gerade wie in der

allgemeinen Geschichte — um Umgliederungsvorgänge handelt, die

erst das Gesamtganze der Kunst-, Literatur- und Musikgeschichte

bezeichnen. Es ist ein Hinweis auf das Lebendigmachende in der

gesamten Kunstwelt vonnöten, das in den Umgliederungsvorgängen

gelegen ist. Aber auch auf die innere Stilgeschichte wird in der Kunst-

philosophie zu wenig Rücksicht genommen. Gemeint ist damit die je

nach den Stilepochen beschaffene Struktur des Kunstwerkes. So

gesehen, erscheint die Verwendung der Kategorie der Umgliederung