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ist Ergiebigkeit eine Frage des Leistungserfolges „an und für sich“, in der
Wertrechnung ein Begriff des Wert v e r g 1 e i c h e s, ein Gradbegriff.
II. Die Fruchtbarkeit im Leben des Gebildes:
Nachhaltigkeit oder Gedeihlichkeit
Die „Ergiebigkeit“ gilt im beschränktesten Falle nur für einen
wirtschaftlichen Kreislauf. Erst wenn die oftmalige Wiederkehr des
Kreislaufes, wenn die ganze Leistungsfähigkeit aller dienenden
Elemente (Produktionsmittel) in der Zeit berücksichtigt, wenn die
„Lebensdauer“ der Maschinen, Äcker und anderer Aufwendungen in
Betracht gezogen wird, erweist sich, ob die Ergiebigkeit auch in der Zeit
standhält. Die Ergiebigkeit eines einmaligen Kreislaufes oder weniger
Kreisläufe kann „ R a u b b a u “ bedeuten, das heißt, sie kann auf
Kosten der Erzeugungsmittel stattgefunden haben. Raubbau an der
Arbeitskraft ist bekanntlich noch häufiger als an Boden und
Waldbestand. Während des Krieges ist Raubbau an unserem gesamten
volkswirtschaftlichen Kapital getrieben worden. Umgekehrt können
gewisse Ausgaben, z. B. für Werbezwecke, einen Betrieb zeitweise
unlohnend machen, später macht es sich „um so mehr bezahlt“, das
dauernde Gedeihen steht über der augenblicklichen Ergiebigkeit. —
Alle diese Beispiele zeigen, wie dringend nötig es ist, die Ergiebigkeit
für die Dauer von der des Augenblicks zu trennen. Man kann sie als
„Nachhaltigkeit“ bezeichnen; treffend hat schon von Gottl von
„Gedeihlichkeit“ oder Prosperität gesprochen
1
. Nachhaltigkeit,
Gedeihlichkeit ist der Gegenbegriff zum Raubbau.
Daß die Begriffe „Raubbau“ und „Nachhaltigkeit“ im Rahmen der
G r u n d b e g r i f f l e h r e entwickelt werden können —während sie bisher nur in der
„praktischen“ Volkswirtschaftslehre vorkamen —, verdanken wir der Ablehnung jeder
mechanischen Ursächlichkeit für die Wirtschaft. Sie sind nur als Kategorien der
„ r i c h t i g e n “ oder „ u n r i c h t i g e n “ Wirtschaft, das heißt des sinnvollen
Gliederbaues, niemals mechanisch zu entwickeln.
Eine Theorie der augenblicklichen Ergiebigkeit und der dauernden Ergiebigkeit oder
Nachhaltigkeit von seiten der Wertrechnung aus fehlt bis jetzt noch, nur das alte Gesetz
des abnehmenden Bodenertrages und die Rententheorie bilden Anfänge.
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Die Lehre von der Ergiebigkeit und Nachhaltigkeit ist jener Teil der
Fruchtbarkeitslehre, der herkömmlicherweise als „Ertragslehre“ bezeichnet zu werden
1
Friedrich Gottl-Ottlilienfeld auf der Wiener Tagung des Vereins für Socialpolitik
(Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd 132, Leipzig 1910, S. 576).