Previous Page  252 / 471 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 252 / 471 Next Page
Page Background

252

[214/215]

daß sie die meisten unserer heutigen nationalökonomischen Lehrbücher (Philip-

povich, Dietzel, Lexis und andere) entscheidend beeinflußt, besonders in Form der

Lehre vom „ a b g e l e i t e t e n E i n k o m m e n “ , wonach Ärzte, Staatsmänner,

Soldaten, Dienstboten von jenen Wirtschaftern ihr Einkommen herleiten, die

„urspüngliches“ Einkommen beziehen! Der unheilvolle Einfluß dieser Vorstellung

reicht bis in die Berufsstatistik. Danach wird in großen Berufszählungen die Gruppe

„persönliche Dienste“ nicht zu den Berufstätigen, sondern zu den „Angehörigen“,

welche von den „originären“ Berufen / e r h a l t e n werden (!), gezählt. — Ähnlich

steht es heute mit den praktischen Anschauungen der Geschäftsleute, Politiker und

Staatsmänner: Landwirtschaft und Gewerbe erscheinen diesen Kreisen unzweifelhaft als

fruchtbar, der Handel bereits zweifelhaft, Beamte, freie Berufe, Staatsmänner werden

wirtschaftlich nicht als fruchtbar, als erzeugend betrachtet (wenn auch wohl als

nützliche Glieder der menschlichen Gesellschaft). Was Rau vom Handel sagte: daß er

den Gütern nichts hinzufüge, wenn er noch so sehr ihren Ort verändere (also

unfruchtbar sei), ist im Grunde auch heute die allgemeine Meinung.

Adam M ü l l e r ist solchen Ansichten zermalmend entgegengetreten, wie der

obige Leitspruch

1

zeigt. Ähnlich List. Wenn dieser jenen Ansichten gegenüber

bemerkte, die Erziehung von Menschen könne nicht unproduktiv sein, wenn die

Erziehung von Schweinen als produktiv gelte, wenn Adam Müller gegen Smith

einwandte, es könne das Kuchenbacken nicht dadurch produktiv werden, daß der

Kuchen eine Stunde lang im Zuckerbäckerladen gestanden habe (als Frucht der

Dienstbotenarbeit [der persönlichen Dienste!] wäre er nämlich nach Smith Ergebnis

unproduktiver Arbeit!) — so wird dies jedem einleuchten; trotzdem kann man nicht

sagen, daß weder unsere heutigen Begriffe noch die Theorien Adam Müllers und Lists

selber diesen Einwänden ganz gerecht geworden wären und sie auf einheitliche Begriffe

gebracht hätten. Adam Müller, List, später Menger und seine Schule traten ja der

physiokratisch-smithischen Denkweise entgegen. Indem Menger und seine Schule den

Begriff des Gutes als Nützlichkeit auffaßte, wurde der Fruchtbarkeitsbegriff

grundsätzlich über die technologisch-physikalische Vorstellung erhoben. Zur

durchgreifenden Abkehr von der falschen Fruchtbarkeitsvorstellung ist es aber nicht

gekommen, ein durchgebildeter Lehrbegriff wurde nicht ausgebildet.

(entgegnet Marx) kann gesagt werden, daß die Krankheit Ärzte, die Dummheit auch

Schriftsteller produziert . . .“ (Marx: Die Anfänge der Theorie vom Mehrwert bis Adam

Smith [Theorien über den Mehrwert, herausgegeben von Karl Kautsky, Bd 1 =

Internationale Bibliothek, Bd 35], Stuttgart 1905, S. 384.) Und später führt Marx breit

das Beispiel aus, wie dann auch der Verbrecher den Strafrechtsprofessor und die

Honorare für dessen Bücher hervorbrächte — eine hanebüchene Talmudistik! Dann

würde wahrlich auch der Hunger Bauern erzeugen! Richtig ist genau das Umgekehrte:

das Ziel, den Hunger zu stillen, das Ziel, Krankheit zu heilen, das Ziel, aufgeklärt zu

werden, das Ziel, Verbrecher zu bändigen, erfordert die nötigen Mittel in

Dienstleistungen und Güteraufwendungen von Bauern, Ärzten, Schriftstellern und

Strafrechtsprofessoren.

1

Siehe oben S. 242.