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Naturkräften. So stellt die Schaufel die Kräfte des Hebels, stellen Speer und Meißel die
Kräfte des Keiles in menschliche Dienste — also andere Kräfte, als das Eisen und Holz
in sich schlossen, bevor sie „Hebel“ und „Keil“ wurden. Sogar auf dem Boden dieser rein
technologischen Betrachtungsweise selbst ist also der Meißel ein anderes, ein n e u e s
technisches Kräftesystem gegenüber einem Stück Roheisen. Er ist keine Umformung
von Roheisen, sondern ebenso Neuschöpfung eines Kräftesystems, wie die Pflanze
Neuschöpfung aus dem Saatgut.
Diese Einwände, so wichtig sie sind, halten sich aber, wie betont, selber noch auf
dem Boden der physiokratischen, der technologischen Denkweise. Der
Fruchtbarkeitsbegriff wird dabei noch immer technologisch-physikalisch gedacht, das
heißt im Hinblick auf körperliche, technische usw. Eigenschaften, statt rein
wirtschaftlich: nach der Leistung für die wirtschaftlichen Ziele. Die
F r u c h t b a r k e i t / m u ß s i c h a u f d i e M i t h i l f e e i n e r
L e i s t u n g f ü r d e n w i r t s c h a f t l i c h e n E r f o l g g r ü n d e n ,
nicht aber auf die technisch-physikalischen Grundlagen dieser Leistung.
Einen weiteren Schritt vollzog Adam S m i t h . Gemäß dem Grundgedanken seines
Systems: daß die Gesetze, nach denen sich der Tauschwert bildet, zugleich die Gesetze
der Reichtumsbildung der Völker seien, müßte nun alle Arbeit, welche den Tauschwert
von Gütern erhöht, fruchtbar sein. In der Tat heißt es bei ihm: „Es gibt eine Arbeit, die
dem Werte des Gegenstandes . . . etwas zusetzt, und es gibt eine andere, die diese
Wirkung nicht hat“; erstere ist fruchtbar, letztere nicht. Dieser Fruchtbarkeitsbegriff
wurde aber von Smith nicht festgehalten, vielmehr tritt neben das Element der
Tauschwertbildung ein anderes, diesem widersprechendes: daß fruchtbar nur jene
Arbeit sei, die sich auf die Herstellung von S a c h g ü t e r n , und zwar sofern sie
Tauschwert haben, richte. — Beide Elemente sind aber nicht ausreichend. Das
Kriterium der Tauschwertbildung ist unzulänglich, da der Marktmechanismus nicht
gleichmäßig und auch nicht überall eintritt, so nicht bei aller naturalen Hervorbringung
und Verteilung, z. B. imHaushalt. Das zweite Kriterium (Sachgut) ist in physiokratischer
Denkweise befangen. In seiner Anwendung hat Smith die Arbeit von Dienstpersonen,
Beamten, Staatsmännern, freien Berufen, Künstlern für unfruchtbar erklärt!! Hingegen
wurde der Handel als Kapital unterhaltend von ihm doch als fruchtbar angesehen. „Der
reiche Kaufmann unterhält mit seinem Kapital nur gewerbstätige Leute“, sagt Smith im
„Wealth of Nations“. Wer hingegen das, was er erspart, „für Dienstboten und Gäste“
ausgibt, handelt unfruchtbar; würde er es aber „für Geschäftstätigkeit“ anlegen,
fruchtbar. Smith hat also nicht einmal die beiden obigen Kriterien (Tauschwertbildung,
Sachgüterherstellung) durchgeführt. Denn in der letzteren Form wird fruchtbare Arbeit
als die auf Kapitalerzeugung gerichtete Tätigkeit gefaßt.
Diese Lehre, so widerspruchsvoll sie ist, beherrschte, unter anderem auch durch den
Einfluß von Karl Marx, in mehr oder weniger veränderter Gestalt die spätere deutsche
Volkswirtschaftslehre
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. Ja, wer unbefangen prüft, wird finden,
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Zum Beispiel tritt Marx den Lehren von Storch (Cours d’économie politique, Paris
1823), die ganz auf der richtigen Bahn waren, mit beißender Schärfe, aber sophistischer
Begriffsverwechslung entgegen. „Nach Storch“, sagt Marx, „produziert der Arzt
Gesundheit . . . der Schriftsteller die Aufklärung . . . Ebensogut