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fällt dieses Ziel über kurz oder lang wieder weg, und die ihr dienende
Wirtschaft verliert ihre Verrichtsamkeit. D a h e r i s t d i e
k r i e g s w i r t s c h a f t l i c h e A r b e i t e b e n s o g u t w i e
d i e ä r z t l i c h e A r b e i t w o h l z i e l g ü l t i g u n d
e r g i e b i g ,
a b e r
n i c h t
i n
a l l e n
S t ü c k e n
n a c h h a l t i g , g e d e i h l i c h , weil nach Aufhören des Krieges
und der Krankheit wieder die ursprünglichen Ziele in ihre Rechte
treten. Für den Friedlichen ist so die Kriegswirtschaft, für den
Gesunden die Krankheitswirtschaft unfruchtbar; für den
Kriegführenden hingegen ist die Kriegswirtschaft, für den Kranken die
Krankheitswirtschaft von vollkommener Fruchtbarkeit, nämlich
zielgemäß und ergiebig, denn sie liefert ihm die Mittel zur Erreichung
absolut notwendiger Ziele. Aber sie ist wegen des späteren Wegfalles
der Ziele niemals nachhaltig, sie ist ihrer Natur nach „ R a u b b a u “ ;
daher muß der / Kriegführende und Kranke dabei verarmen, trotz aller
Fruchtbarkeit seiner Arbeit, solange sie zielgültig war.
So ist das W e s e n d e r K r i e g s w i r t s c h a f t erst von der Theorie der
Fruchtbarkeit aus ganz begreiflich. Die Formel für die Kriegswirtschaft lautet dann:
Volle Zielgültigkeit und Ergiebigkeit für die neu aufgetretenen Ziele, aber Mangel an
Gedeihlichkeit wegen Unbeständigkeit dieser Ziele, so daß nicht nur bei der erstmaligen
Neueinstellung („Umschichtung“) der Wirtschaft auf die neuen Ziele eine große
Mittelvernichtung eintritt, sondern diese Mittelvernichtung bei der Rückumschichtung
der Wirtschaft nach Aufhören des Krieges nochmals geschieht! Dazu kommt noch, daß
die Kriegs- und Krankheitswirtschaft auch aus einem anderen Grunde n o t w e n d i g
Raubbau bedeutet, also auch von sich heraus keine nachhaltige Fruchtbarkeit aufweist.
Der Grund dafür liegt in dem i n n e r e n W i d e r s p r u c h d e r Z i e l e . Wer
auf den Tod angegriffen wird, muß wohl alles daran setzen, sich zu wehren, und jede
mittelbeschaffende Tätigkeit dafür (jede Wirtschaft, die dem dient) wird plötzlich
fruchtbar. A b e r d a s L e b e n g e h t s e i n e n G a n g w e i t e r ; die alten
Ziele nach Nahrung, Kleidung, Wohnung, ja selbst nach jener Bequemlichkeit und
jenem höheren geistigen Leben, das der menschlichen Natur nun einmal tief
eingepflanzt ist, treten doch auf die Dauer nicht gänzlich zurück. Daher lebt man in
Krieg, Krankheit und Not über seine Verhältnisse—Raubbau, Verarmung! Daß daneben
allerdings zugleich wahrhaft schöpferische Kräfte wach werden, daß Erfindungen,
Sparsamkeit, Ernüchterung der Ziele eintreten, macht den Krieg auch wirtschaftlich zu
einem Lehrmeister der Menschen, zu einem mächtigen Beweger der Welt der Mittel.