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und das Werturteil dieser Andersheit und Eigenheit, vortrefflich der
Selbstgenugsamkeitslehre als einer natürlichen Folgerung unter.
Das Ergebnis der zergliedernden Betrachtung der Gesellschaft (die
Erklärung ihres Lebensprozesses aus den Einzelnen) und die
Hinzubringung der Hochschätzung der Individualität dieser Einzelnen
müssen auch hier streng auseinandergehalten werden. Das eine ist ein
zergliedernder Lehrbegriff, das andere ein nicht aus der Zergliederung
gewonnenes Werturteil.
Es ist daher verständlich, daß nicht alle Individualisten die
Individualität hochschätzen. Schopenhauer ist Individualist und
Naturrechtler, sieht aber im „principium individuationis“ und darum in
der Individualität überhaupt das Grundübel der Welt. Nietzsche dagegen
schätzt die Individualität so hoch, daß ihm ein ganzes Volk nur „der
Umschweif der Natur“ ist, um zu ein paar großen Männern zu gelangen.
Die vorstehenden Betrachtungen lehren, wie bedeutungsvoll die
Grundanalysen der Gesellschaftswissenschaft für die Philosophie sind; sie
lehren aber auch, wie das Philosophische vom sachlich Zergliedernden
streng zu trennen ist und die Gesellschaftslehre selbst auf ihrem eigenen
Boden verbleiben muß.