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g r i f f e d e s g e i s t i g - m o r a 1 i s c h e n D a s e i n s
g e h ö r e n . Soll die Gezweiung eine wesenhafte, blühende und
bestandfähige werden, so muß sie sich an die wesenhaft zu entwickelnden
Inhalte und Begabungen halten. Dieses Wesenhafte ist das Gute. Das Böse
aber hat nicht nur kein Recht auf Entwicklung — ja, sich entwickeln zu
dürfen ist seine ärgste Strafe —, sondern es hat auch keinen wesenhaften
Ort und Grund der Entwicklung in der Gemeinschaft.
Das vorstehende können wir folgendermaßen zusammenfassen:
höchste Vergemeinschaftung der Menschen ist nicht gleichzeitige
Entwicklung a l l e r Elemente, sondern nur höchste Bildung ihrer
wesenhaften, das ist der geistig-sittlichen Elemente; Gemeinschaft ist
Wirklichkeit des Sittlichen.
Man erkennt, daß das Lebendige und Wirkliche in der Gemeinschaft
einerlei ist mit dem Guten, daß die Gemeinschaft Träger des Guten und
ihr Leben die Herrschaft des Guten ist.
Diese Einsicht ruht schon in der platonischen Lehre, welche den Staat
erkennt als die Substanz des Guten. Das ist er nicht nur in dem Sinne, daß
er gute Gesetze macht oder machen soll, sondern in dem viel
wesenhafteren Sinne, daß der Inhalt des geistigen Gemeinschaftslebens,
soweit er bestandsfähig und aufbauend ist, selber eine Fleischwerdung des
Guten bedeutet. — In gleichem Sinne Hegel: Das Wirkliche ist vernünftig.
Stets bewährt sich das:
„κ
αι ο λόγος
σαρξ
έγένετο
“
als eine
gesellschaftliche Grundwahrheit, denn
„
λόγος
“
kann nur als die Vernunft
und als das Gute Fleisch werden. Der Individualismus wird diese
Wahrheit freilich nie begreifen, weil er ein Überindividuelles in der
Gesellschaft nicht kennt
1
.
D.
Die G e g e n s t ä n d l i c h k e i t d e r G e m e i n s c h a f t . D e r
o b j e k t i v e G e i s t
Der überindividuelle Charakter des Gezweiungsvorganges bedeutet
nun, wie schon ausgeführt wurde
2
, eine zwar nicht stofflich
1
Weiter werden wir diesen wichtigen, schon oben S. 57 f. und 163 f. berührten
Gegenstand unten zu verfolgen haben.
2
Siehe oben S. 163 f.