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leidet dann der Einzelne wie die Kultur!) Sind sie aber streng einheitlich, so
kann notwendig nur innerhalb ihrer Grenzen Individualität aufkommen. Zum
Beispiel hat die L e h r f r e i h e i t erst dann einen vollen sozialen Sinn, wenn
das Leben nicht mehr von einem einzigen religiösen Gedanken beherrscht ist.
S o l a n g e d i e s d e r F a l l w a r , w a r f ü r A u s b i l d u n g a n t i r e -
l i g i ö s e r I n d i v i d u a l i t ä t e n k e i n i n n e r e r g e i s t i g e r S p i e l -
r a u m v o r h a n d e n . „Lehrfreiheit“ wird erst verlangt werden, wenn die innere
Einheit fehlt: g e i s t i g e U m w ä l z u n g , n i c h t ä u ß e r e B e f r e i u n g ist
also die Signatur solcher geschichtlicher Vorgänge. Es brechen in solchen Fällen
nicht „Epochen der Freiheit“ an, um der Menschheit zum ersten Male das Licht
zu bringen; es sind vielmehr nur Epochen anderer Bildungsrichtung, welche sich
die ihnen entsprechenden, sie vom Alten befreienden Organisationsformen schaf-
fen.
Aus diesem allem ergibt sich, welches die Gefahr des individuali-
stischen wie des universalistischen Freiheitsbegriffes ist. Die Ge-
f a h r d e s i n d i v i d u a l i s t i s c h e n F r e i h e i t s b e g r i f -
f e s i s t d i e g e i s t i g e V e r a r m u n g d e s E i n z e l n e n ;
denn ein Höchstmaß an Fürsichsein zu erstreben, bedeutet, dem
Einzelnen die geistige Lebensluft zu entziehen. Nur in dem Min-
destmaß geistigen Fürsichseins liegt / ja vielmehr die Rettung des
Menschen aus Dumpfheit, Enge und Sonderbarkeit. Eine zweite Ge-
fahr ist auch die sittliche Neutralität, die der eigenen Freiheit „so-
zialethisch“ zuerkannt wird. Wer Augen hat zu sehen, kann deutlich
wahrnehmen, wie der tiefste Schaden des ganzen neueren Zeitalters
mit seinem individualistischen Geiste in dem Mangel an geistigen
Gemeinschaften, in dem Irrtum liegt, jeder solle am besten tun, was
er wolle, in dem Fehlen von fruchtbarem Zwang, das geistige Schwä-
chung und Unkultur zur Folge hat. Daher ist Äußerlichkeit statt
innerer Geistigkeit, Drang nach außen statt nach Vertiefung das
Merkzeichen jeder individualistischen Entwicklung. — Die Gefahr
des universalistischen Freiheitsbegriffes ist dagegen: der unfrucht-
bare, der unheilsame Zwang, die starre, abgelebte Bindung, das er-
folglose, ja Leben abtötende Vielregieren. Soweit Entwicklung des
eigenen Geistes durch Gemeinschaft den Zwang als Vorstufe der
Gemeinschaftsbildung, als heilsam aufbauendes Element in sich
schließt, ist es klar, daß die Gefahr des unglücklich angewendeten
Zwanges dabei naheliegt. Wenn z. B. ein musikalischer Vater seinen
Sohn unbedingt zur Musik erziehen (in musikalische Geistes-
gemeinschaft hineinzwingen) will, obwohl dieser unmusikalisch
ist, so wird die Anwendung des Zwanges unheilvoll.