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schafft und die in Gemeinschaft wird; somit ist es das in der Idee
des Menschen liegende Moralische schlechthin, das Gute, welches in
der Gemeinschaft (der Idee nach) zur Verwirklichung kommt. Alles
Unmoralische, das dennoch entwickelt wird (es geschieht ja reich-
lich), ist gemeinschaftsfeindlich und dem Menschen seiner reinen
Wesenheit nach abträglich. Diesen Sinn hat es, wenn Platon den
Staat als Verkörperung der Idee des Guten bezeichnet.
Freiheit, universalistisch gedacht, schließt daher nicht ungehin-
dertes Werden und Förderung a l l e r Fähigkeiten des Menschen
mittels der bildenden Kräfte der Gemeinschaft in sich, sondern
ihrem strengen / Begriffe nach nur der in der Wesenheit, in der
Idee des Menschen (sohin auch in der Idee der Gemeinschaft) lie-
genden Kräfte: Freiheit heißt: zu tun, was ich soll, heißt Entwick-
lung des Guten im Menschen.
Daß hier für die Gesellschaftslehre und die wissenschaftliche Politik die
Aufgabe entsteht, an einen bestimmten Begriff des Sittlichen anzuknüpfen —
im strengsten Gegensatz zur machiavellistischen Auffassung der Politik als einem
angeblich amoralischen Gebiete —, muß betont werden.
Mit all diesem ergibt sich endlich F r e i h e i t a l s e i n B e -
g r i f f h a r m o n i s c h e r A u s b i l d u n g d e s M e n s c h e n
und des harmonischen Gebrauches seiner Fähigkeiten (4). Harmo-
nisch, nicht nur ethisch, obgleich im Enderfolg beides Wechsel-
begriffe sind, weil in der gegenseitigen Bindung, im gegenseitigen
Aufwand und Gebrauch der eigenen Kräfte die Gewähr für die
höchste Ausbildung und Vollendung der eigenen Persönlichkeit
(von sich selbst aus) liegt. Freiheit ist dann jene zarte Rücksicht-
nahme auf andere, welche nicht aus Gründen der Ordnung, der
Konvention und der Nützlichkeit eigenen Egoismus bändigt, son-
dern aus gegenseitigem inneren Miterleben heraus Platz greift und
jedes vertiefte Gemeinschaftsverhältnis beherrscht. In solchem zart
gebundenen, rein innerlich (nicht durch äußere Gewalt) beherrsch-
tem Verhältnisse können die Regungen und Wünsche des Einzelnen
nicht wild wuchernd sich hervordrängen, sondern werden, indem
sie durch inneres Mitfühlen und innere Gegenseitigkeit Ausgleich
und Ordnung erfahren, zu einem harmonischeren Ganzen fortgebil-
det, also wieder zu einem Höchstmaß eigener Kraftausbildung und
eigenen Kraftgebrauches geführt. Zwischen Liebenden, Freunden,
zwischen Künstler und Publikum, Forscher und Nachschöpfendem,