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denkt, erscheint Freiheit im universalistischen Sinne vor allem im
Werden, im Verwirklichen der Möglichkeiten, welche der Einzelne
in sich trägt. Das Zur-Entwicklung-Kommenlassen der geistigen
Kräfte in Gemeinschaft, in und durch Wechselseitigkeit, ist Freiheit.
Damit ist es: ein G e w ä h r e n l a s s e n d e r K r ä f t e i n g e -
m e i n s c h a f t s m ä ß i g e r / S e l b s t e r z i e h u n g (1), was
zur wahren Freiheit, zur vollen Entwicklung der eigenen Persön-
lichkeit führt.
Mit dem Spielenlassen der Kräfte in Gemeinschaft ist aber der
universalistische Freiheitsbegriff noch nicht erschöpft. Denn ein
wichtiges Moment der Kräfteerzeugung und -erziehung kann auch
in äußerer Beeinflussung, im Zwang gegeben sein. So sehen wir, um
nur die typischsten Beispiele anzuführen, im wirtschaftlichen Ar-
beitszwang (und zwar nicht nur der Jugend, auch Erwachsener), in
der Schulerziehung und vor allem in militärischen Verbänden eine
äußere Beeinflussung und Zwangsausübung, welche wichtige Poten-
zen im Menschen weckt und unter Umständen fast gewaltsam zur
Entwicklung
bringt:
Selbstdisziplin,
Ordnungssinn,
Festigkeit,
Männlichkeit und andere Kräfte. — Damit ergibt sich als zweite
Seite des universalistischen Freiheitsbegriffes: F r e i h e i t i s t
a u c h i m Z w a n g z u f i n d e n (2) —, sofern dieser wirklich
ein Bildungselement des gezwungen beeinflußten Individuums zu
werden vermag, sofern er wirklich Kräfte weckt und entwickelt, die
ohne ihn weniger entwickelt worden wären. Da auch Zwangs-
ausübung zugleich immer nur ein Zwang zur Vergemeinschaftung,
zur Gemeinschaftsbildung ist, lehren schon die angeführten Bei-
spiele, daß dagegen der u n f r u c h t b a r e Z w a n g eine geistige
Fessel ist, ein Gegenteil von Freiheit ist, muß dem Individualismus
zugestanden werden.
Aus dem bisherigen folgt, daß F r e i h e i t e i n B e g r i f f d e r
s i t t l i c h e n A u s b i l d u n g des Einzelnen ist (3). Dies ergibt
sich auch unmittelbar vom rein gesellschaftstheoretischen Ausgangs-
punkte des Freiheitsbegriffes her. Schon das Verhältnis des Indivi-
duums zur Gemeinschaft ergab sich ja — nach universalistischer
Auffassung — bereits als ein rein sittliches
1
. Es ist die geistig mo-
ralische Wesenheit des Individuums, die sich in Gemeinschaft er-
1
Siehe oben S. 178.