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[204/205]

„Dies ist der zur Leidensvernichtung führende Pfad“, versteht er der Wahr-

heit gemäß. Es ist dieser heilige, achtteilige Pfad, der da heißt: Rechtes Glauben,

rechtes Entschließen, rechte Rede, rechte Tat, rechtes Leben, rechtes Streben,

rechte Besinnung, rechte Meditation.

Also erkennend, also sehend wird da sein Gemüt erlöst vom Wunscheswahn,

erlöst vom Daseinswahn, erlöst vom Irrwahn. „Im Erlösten ist die Erlösung“,

diese Erkenntnis geht ihm auf. „Versiegt ist das Leben, vollendet die Heiligkeit,

gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt“, versteht er da.

/

„Den heißt man, ihr Mönche, einen Menschen, der weder ein Selbstquäler,

nicht der Übung der Selbstqual eifrig ergeben ist (wie viele indische Asketen),

noch ein Nächstenquäler, nicht der Übung der Nächstenqual eifrig ergeben ist

(wie Jäger, Schlächter, kriegführende Herrscher usw.); der ohne Selbstqual, ohne

Nächstenqual schon bei Lebzeiten ausgeglüht, erloschen, kühl geworden ist, sich

wohl fühlt, heilig geworden im Herzen.“

1

Der Weg des buddhistischen Mönches führt aus äußerer Abge-

schiedenheit zu immer größerer innerer Abgeschiedenheit und Ent-

rückung. Das Ziel dieser Entrückung ist Erkenntnis, die Frucht der

Erkenntnis ist die Erlösung vom Strudel der Wiedergeburten, der

Eintritt ins Nirwana, das ist: das Erlöschen in Gott. N i r w a n a

d a r f a b e r n i c h t a l s „ N i c h t s “ g e d e u t e t w e r d e n !

Es ist schlechthin unmöglich, daß der Mensch hohe und höchste

Kräfte anspannen möchte oder könnte, um das Nichts zu erreichen.

— Diese Welt ist auch nur insofern Wahn und Schein, als es eine

Erlösung von ihr, ein Entrinnen aus dem Kreislauf der Wiederge-

burten, ein Hinwegschwinden gibt in das wahre Sein.

Der Unterschied der buddhistischen zur brahmanischen wie zur

abendländischen Abgeschiedenheit ist zum ersten im Fehlen des

Schöpfungsbegriffes gegeben (der Mensch als Geschöpf, nicht als

Begierdefrucht des Werdestrudels, des „Samsara“); zum zweiten im

Fehlen des panentheistischen Weltbegriffes. Die brahmanische wie

abendländische All-in-Gott-Lehre (Panentheismus) könnte daher

auch weder die buddhistische Lehre vom Leiden, vom Wahn, von

der Leidensvernichtung noch den darin liegenden (aber von Scho-

penhauer verzerrten) Pessimismus in sich aufnehmen.

1

Aus der 51. Rede der Mittleren Sammlung der Reden Buddhas, betitelt

.Kaudarako“, übersetzt von Karl Eugen Neumann, München 1919.