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[200/201]

In der ergreifenden Unterredung des Lehrers Uddalaka Aruni mit seinem

Sohne (Ctvetaketu wird dies in neunfacher Wiederholung dargestellt

1

. Die

Urelemente der Gestaltung und Besonderung, die Keimkräfte der Natur, die

Lebendigkeit des Lebendigen und die Kraft der Wahrheit, auf welcher das

Heil ruht, werden genannt, und immer heißt es: Dieses Unerkennbare, Feine,

Subtile — „ein Bestehen, aus dem ist dieses Weltall, das ist das Reale, das ist

die Seele, das b i s t du, o Cvetaketu!“ D i e s e E i n e r l e i h e i t i s t e s , /

w e l c h e e i n g e h e i m e s B a n d d e r L i e b e u m a l l e W e s e n

s c h l i n g t . Nur um dieser Gemeinschaft willen sind sie einander wert.

„Fürwahr“, sagt der Lehrer Yajnavalkya beim Abschied zu seiner Gattin

Maitreyi, „nicht um des Gatten willen ist der Gatte lieb, sondern um des

Selbstes willen ist der Gatte lieb; fürwahr, nicht um der Gattin willen ist

die Gattin lieb, sondern um des Selbstes willen ist die Gattin lieb [usw. usw.];

fürwahr, n i c h t u m d e r W e s e n w i l l e n s i n d d i e W e s e n l i e b ,

s o n d e r n u m d e s S e l b s t e s w i l l e n s i n d d i e W e s e n l i e b ; für-

wahr, nicht um des Weltalls willen ist das Weltall lieb, sondern um des Selbstes

willen ist das Weltall lieb.“

2

Das Selbst aber ist das Brahman, das göttliche Prin-

zip. Und fortfahrend: „Der Brahmanenstand wird den preisgeben, der den

Brahmanenstand außerhalb des Selbstes weiß ... die Wesen werden den preis-

geben, der die Wesen außerhalb des Selbstes weiß; das Weltall wird den preis-

geben, der das Weltall außerhalb des Selbstes weiß.“

3

Und so hängen nicht nur die Seelen, sondern auch die Elemente, und selbst

die geistigen Gestaltungen zusammen. Dieser Zusammenhang ist Liebe und ge-

genseitiges innerstes Bedürfen (H o n i g

1

e h r e). „ D i e s e E r d e i s t a l l e r

W e s e n H o n i g , d i e s e r E r d e s i n d a l l e W e s e n H o n i g ; aber was

in der Erde jener kraftvolle unsterbliche Geist ist, und was in bezug auf das

[menschliche] Selbst jener aus Körper bestehende, kraftvolle, unsterbliche Geist

ist, dieser ist eben das, was diese Seele ist; diese ist das Unsterbliche, diese das

Brahman, diese das Weltall.“

4

Und darum, „von wem das Selbst gesehen, ge-

hört, verstanden und erkannt worden ist, von dem wird diese ganze Welt

gewußt“

5

.

In der Vollendung dieser Lehre ist aber zugleich der Punkt ge-

legen, wo der universalistische Allzusammenhang mit Menschen und

Welt zur Abgeschiedenheit, zur einsamen Gottesgemeinschaft, wird

oder wenigstens werden kann. Um die Verbindung mit der Welt,

mit den anderen Seelen zu verwirklichen, bedarf es nicht des Hin-

ausgehens und Umherschweifens, sondern nur der Einkehr in das

eigene Herz.

„Hier in dieser Brahmanstadt [dem Leibe]“, heißt es, „ist ein Haus, eine

kleine Lotosblume [das Herz]; inwendig darinnen ist ein kleiner Raum; was

in dem ist, das soll man erforschen, das wahrlich soll man suchen zu er-

1

Chandogya-Upanishad, Ausgabe Paul Deussen 6, 8, S. 164 ff.

2

Derselbe Gedanke in Platons Aufstiegslehre, siehe oben S. 236 f.

3

Brihadaranyaka-Upanishad, Ausgabe Paul Deussen, 2, 4, 5a und 6, S. 416 f.

— Sperrungen hier und im folgenden von mir.

4

Brihadaranyaka-Upanishad, Ausgabe Paul Deussen, 2, 5, S. 420 ff.

5

Brihadaranyaka-Upanishad, Ausgabe Paul Deussen, 4, 5, 6, S. 482 f.