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Religion, Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft, überall ist der Mensch

nur Reflex der Umstände. So wird auf der einen Seite Selbstherrlich-

keit, auf der andern Anpassung bis zur äußersten Umweltgeltung

(Milieulehre) gepredigt — eine Folge der bloß fallweisen Autarkie-

vorstellung.

Dieses widerspruchsvolle Ergebnis kann man keineswegs als Feh-

ler unserer Begriffsbestimmung des Individualismus (die auf dem

Autarkiebegriffe ruht) deuten. Es ist vielmehr ein überaus beschä-

mendes Zeichen des Tiefstandes unserer zeitgenössischen Bildung.

Den Engländern als einer wenig philosophischen Nation kann man

dergleichen noch hingehen lassen. Leider aber trifft es auch das Volk

der Dichter und Denker. Gerade an diesem Beispiele, das ja eine

tiefgewurzelte Denkweise unserer heutigen Wissenschaft berührt,

kann man sich klarmachen, wie weit uns die mechanistische Me-

thode, die der Darwinismus übte, heruntergebracht hat.

/

Die universalistische Einheitsvorstellung der Gesellschaft führt,

wie die individualistische, je nach ihrer Fassung auf verschiedene

Begriffe des menschlichen Geistes.

Hat die bisherige Darstellung die Formel: wie die Gesellschaft

begriffen wird, so der Mensch; wie der Mensch so die Welt, reich-

lich erhärtet, so bedarf es wohl keines Beweises, daß dies Verhältnis

auch umkehrbar ist. Es gilt: wie die Welt begriffen wird, so das

Ich; wie das Ich so die Gesellschaft. Und das bedeutet: Die philo-

sophischen Folgerungen, die sich aus den Einheitstheorien der Ge-

sellschaft durch den Ich-Begriff, den sie in sich schließen, ergeben,

können zu philosophischen Voraussetzungen der Wesenstheorien

werden und damit des gesellschaftswissenschaftlichen Denkens über-

haupt.

Wie nun die Philosophie zu einer Gesellschaftsauffassung führt,

möge im folgenden noch an Immanuel Kant und Johann Gottlieb

Fichte kurz gezeigt werden. Diese Abschweifung möge damit ent-

schuldigt werden, daß sie sowohl zur philosophischen Begründung

wie zur geschichtlichen Ergänzung der früheren Darstellung des

Universalismus

1

beiträgt.

1

Siehe unten drittes Buch, S. 275 ff.