Z w e i t e r A b s c h n i t t
Die Begründung der Gesellschaftslehre durch Kant
und Fichte
I. Immanuel Kant
A. D a r s t e l l u n g
Kant denkt das menschliche Bewußtsein als System apriorischer,
normativer Bestimmungen. Es sind dies die Kategorien oder Ver-
standesbegriffe und die Anschauungsformen (Raum und Zeit). Die
apriorischen Formen beruhen auf der „Spontaneität der Apperzep-
tion“, deren „synthetische Einheit“ allein den gesamten Verstandes-
gebrauch ermöglicht. Dieser Bewußtseinsbegriff ergibt in subjekti-
ver Fassung die „Autonomie“ der individuellen Vernunft. Diese
Folgerung ist grundlegend für die Sittenlehre und damit auch für
die Gesellschaftslehre Kantens. Die Autonomie ergibt sich mit
Notwendigkeit daraus, daß die Vernunft einen absoluten Einheits-
bezug an der „synthetischen Einheit der Apperzeption“ hat. Durch
diese eigengesetzliche Einheit wird theoretische Vernunft praktisch;
das heißt nichts anderes als: dadurch wird das innere Gesetz der
Vernunft (das in ihrer eigenen Einheitlichkeit, im Logischen ohne-
hin schon waltet) auch in bezug auf das wirksam, was sie sich als
Ziel setzt. Man kann das in dem Gesetz fassen: handle vernünftig,
handle nach dem Gesetz der Vernünftigkeit schlechthin. D i e s e r
r e i n e S e l b s t b e z u g d e r V e r n u n f t a u f i h r e e i g e n e
E i n h e i t also ist die „Autonomie“ der / Vernunft, ihre Selbst-
bestimmung oder Freiheit; zugleich der Inbegriff ihrer Sittlichkeit.
Was von einem Individuum gewollt oder getan wird, hat nunmehr
zweierlei Seiten:
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den Naturmechanismus, welcher alles Geschehen als mechani-