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[207/208]

Bestimmung analytisch gewonnen; wenn zu dem Ergebnisse: es seien

Glieder, die in schöpferischer, gegenseitiger Berührung erst ent-

wickelt werden — so ist das ebenfalls rein analytisch gewonnen.

Aber diese Ergebnisse selbst drängen zu philosophischen Folgerun-

gen.

Der individualistische Standpunkt führt, sofern er das Ich durch-

aus selbstherrlich, autark denkt, zu einer prometheischen Lebens-

und Weltauffassung, wie etwa bei Friedrich Nietzsche und Max

Stirner. Das Logische, das Ästhetische usw. erscheint hier nur als

Ausfluß individueller (autarker) Willkür. Auch die Monadenlehre,

wenigstens von gewisser Seite her gesehen, und jede Art von Plu-

ralismus sind solche Folgerungen, wie sie aus strengsten Fassungen

des Autarkiebegriffes sich ergeben. — Dem absoluten Autarkiebe-

griffe entspricht ferner der / Nominalismus, den man auch logi-

schen Individualismus genannt hat. Danach kann es nichts Allge-

meines, nur Individuelles geben. Das Allgemeine ist nicht einmal

Begriff, sondern nur leerer Name (daher auch „Terminismus“)

1

.

Wird die Selbstwüchsigkeit bloß kasuistisch gefaßt, das heißt

erscheint der Mensch als jeweilig schlechthin g e g e b e n e r Be-

wußtseinsinhalt, der zu jedem bestimmten Zeitpunkte eine be-

stimmte Summe selbständiger Gegenwirkungen zu üben vermag,

als eine Summe jeweils gegebener autarker Wirkungskraft; dann

stellt sich das Individuum zwar auch in jedem möglichen Falle als

Fertiges dar (der Staat als ein Vertrag usw.); aber über die Weiter-

bildungsfähigkeit der geistigen Teilkräfte, wie ihrer Gesamtheit, ist

damit keineswegs in rein autarkem Sinne entschieden. Gerade die

kasuistische Betrachtung führt dann zu einem Widerspruch in der

Gesamtanschauung, den man kaum für möglich hielte. Unsere mo-

dernen naturwissenschaftlich arbeitenden Soziologen, zum Beispiel

Herbert Spencer, um ein Vorbild zu nennen, unterliegen ihm ganz

besonders. Derselbe Mensch, der als seelisch autarke Wesenheit und

Bürger den Staatsvertrag schließt, erscheint in jedem Einzelfalle als

Erzeugnis objektiver Entwicklungsvorgänge! In seiner Sittlichkeit,

1

Lehrreich und tröstlich ist es, zu sehen, wie die moderne Naturwissen-

schaft sich anschickt, vom Nominalismus wieder zu einer Art Universalienlehre

zurückzukehren, indem sie die Art als eigenes Ganzes, als einen „höchst plan-

vollen Organismus, dessen Organe die Individuen“ sind, betrachtet. Vgl. Jakob

von Üxküll: Bausteine zu einer biologischen Weltanschauung, Gesammelte Auf-

sätze, eingeleitet von Felix Groß, München 1913.