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gesetz: Handle so, daß die Maxime deines Willens Prinzip einer all-
gemeinen Gesetzgebung sein könne — enthält nur scheinbar ein
gesellschaftsethisches Moment. In Wahrheit gilt es bloß für die ab-
strakte Vernünftigkeit als solche, das heißt für jedes vernünftige
Wesen für sich, aber nicht für die Gemeinschaft als eigentümliche
Erscheinung. Richtig hat es Fichte in der „Bestimmung des Gelehr-
ten“ formuliert: „Handle so, daß du die Maxime deines Willens als
ewiges Gesetz für dich denken könnest.“ Im letzten Grunde lautet
es einfach: h a n d l e v e r n ü n f t i g ; denn es ist nur ein Gesetz
der absoluten Übereinstimmung der Vernunft mit sich selbst.
Man könnte vielleicht einwenden, daß Kant, so wie seine meisten Beispiele
der Anwendung des kategorischen Imperativs auf gesellschaftliche Verhältnisse /
gehen, gelegentlich auch ausdrücklich eine Vielheit organischer Wesen kon-
struiert. So in der Kritik der praktischen Vernunft“
1
und in der „Metaphysik
der Sitten“
2
. Ein solcher organisch-universalistischer Zusammenhang gilt aber
nur für die reine Vernunftwelt, für ihre rein intelligible Ordnung. Eben dieselbe
Bewandtnis hat es mit dem berühmten Satze, daß j e d e s W e s e n z u g l e i c h
Z w e c k , n i e m a l s b l o ß e s M i t t e l sein soll, er ist als eine Bestimmung
der Vernunftwelt, nicht einer gesellschaftlich verbundenen Welt v i e l e r Ver-
nunfteinheiten zu verstehen.
Demgemäß hat Kant in der Staats- und Rechtslehre einen rein
individualistischen Standpunkt vertreten. Der Staat ist ihm „die
Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“
3
— ein reiner Summenbegriff, wonach Recht nichts anderes ist als
„Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit
der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Frei-
heit zusammen vereinigt werden kann“
4
. Dies ist durchaus natur-
rechtlich gedacht.
1
Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft, Riga 1788, S. 57.
2
Immanuel Kant:
Metaphysik der Sitten, 2 Bde, Bd 1: Metaphysische
Anfangsgründe der Rechtslehre, Riga 1797, S. 29, 51 ff. und öfter.
3
Immanuel Kant:
Metaphysik der Sitten, 2 Bde, Bd 1: Metaphysische
Anfangsgründe der Rechtslehre, § 45; Ausgabe Karl Vorländer, 2. Aufl., Leip-
zig 1906, S. 135 (= Philosophische Bibliothek, Bd 42).
4
Immanuel Kant: Metaphysik der Sitten ... § B; Ausgabe Karl Vorländer
S. 34.