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Auch die historische Rechtsschule, die spätere Rechtsphilosophie
(Ahrens, Stahl), die geschichtliche Schule in der Volkswirtschafts-
lehre samt der ganzen modernen Sozialpolitik, zum Teil sogar der
Sozialismus von Lassalle und Marx — sie alle fußen auf dieser von
Fichte eingeleiteten Umbildung des gesellschaftstheoretischen Den-
kens. Fichte hat freilich daneben die naturrechtliche Form der Kon-
struktion des Staates nie ganz loswerden können, namentlich nicht
in den ersten Schriften, z. B. wird in der „Grundlage des Naturrech-
tes“ sogleich nach der oben angeführten universalistischen Begriffs-
bestimmung des Individuums ein Staatsbürgervertrag, dazu noch
in mehrfacher Form, konstruiert, ähnlich im „Geschlossenen Han-
delsstaat“ und den späteren Schriften! Aber im Grunde treibt sein
ganzes Denken auf reinen Universalismus hin. Damit beginnt eine
Überwindung des Individualismus, welche vielleicht die größte Lei-
stung des deutschen Geistes in der Geschichte ist und die noch lange
nicht alle ihre Kreise gezogen hat, von der vielmehr noch eine neue
Kulturepoche ihren Ausgangspunkt nehmen wird. Die Geburts-
stunde des Umschwunges, der mit der Abwendung vom Naturrecht
im deutschen Denken, trotz aller nachträglichen Siege des Man-
chestertums (die mehr in äußeren Wirtschaftsverhältnissen ihren
Boden fanden) vollzogen wurde, schlug, als Fichte 1796 seine
„Grundlagen des Naturrechtes“ herausgab. Dieser Umschwung dau-
ert zur Zeit noch an und findet namentlich in der fortgesetzten Or-
ganisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse durch die moderne
Sozialreform seinen Ausdruck.
Wenn dagegen Eugen von Philippovich in seiner Untersuchung über das „Ein-
dringen der sozialpolitischen Ideen in die Literatur“
1
glaubt, die Abwendung der
politischen Ökonomie vom Individualismus und das Eindringen gesellschaftswis-
senschaftlicher Betrachtung in sie sei dem Sozialismus und der Stein-Mohlischen
Gesellschaftslehre zuzuschreiben, so hat er die Wurzeln beider übersehen, ist er
zu sehr bei den u n m i t t e l b a r gegebenen Erscheinungen stehengeblieben. Die
Stein-Mohlische „Gesellschaftslehre“, und sogar in hohem Grade der deutsche
Sozialismus, sind in dieser Beziehung selbst Früchte der Romantik und der deut-
schen klassischen Philosophie, besonders der Philosophie Hegels.
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In: Festschrift zu Gustav Schmollers 70. Geburtstag. Leipzig 1908, Bd II,
Kapitel XXXI, S. 6 ff.