Previous Page  261 / 749 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 261 / 749 Next Page
Page Background

[213/214]

261

II.

Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling,

Georg Wilhelm Friedrich Flegel

Einen andern Anfang nimmt die Philosophie bei Fichte. Fichte

stellt die Spontaneität des Bewußtseins an die Spitze. Das Ich ist

„Spontaneität der Apperzeption“ schlechthin, reine Tätigkeit, und

dies ist die Bedeutung des berühmten Satzes, mit dem Fichte seine

Philosophie beginnt: Das Ich setzt sich selbst. Das heißt natürlich

nicht, daß das Individuum sich selbst in die Welt setze, indem es

auf einmal durch einen Akt des Tuns gewappnet aus sich selbst ent-

springt wie die Athene aus dem Haupte des Zeus.

Es heißt zunächst nur, daß das Bewußtsein grundsätzlich und fort-

dauernd auf einer spontanen Tat, auf der inneren Spannkraft des

Wollens, beruht, daß das Bewußtsein kein fait accompli, kein Fer-

tiges ist, sondern etwas, das getan werden muß, um stets aufs neue

vollzogen zu werden. In diesem Sinne also ist das Ich seinem Wesen

nach Tätigkeit, Aktivität, daher: Selbstsetzung. Es setzt sein eigenes

Sein und umgekehrt: das Sein des Ich ist dessen eigene Tat.

Dieser Satz mag für unsere, an die mechanistische Assoziationspsychologie

gewöhnte Vorstellungsweise befremdlich klingen. Tatsächlich war er weder da-

mals neu, noch ist er seit Kant je aus der deutschen Philosophie gewichen. Schel-

ling hat den Begriff des Bewußtseins grundsätzlich auf gleiche Weise entwickelt,

ebenso Hegel, ebenso alle Vertreter des deutschen Idealismus.

Wird aber das Ich schon ursprünglich als Tätigkeit schlechthin be-

trachtet, so ist es von der Wurzel aus praktischer Natur. Das prak-

tische Ich wird der Grund des theoretischen, des erkennenden Ich.

Mit dem / Primat der praktischen Vernunft wird nun gründlich

Ernst gemacht. In diesem Sinne konnte sich Fichte mit vollem Recht

als strenger Kantianer bezeichnen.

Für uns entsteht nun die Frage, was der Fichtesche Ichbegriff ge-

sellschaftstheoretisch bedeutet. Das ergibt sich aus der vollen Ablei-

tung des Ich, obwohl sie zunächst nur erkenntnistheoretischer Natur

ist.

Kann das Ich als actus purus, als Tätigkeit, Wollen, sich selbst set-

zen? Die Antwort muß lauten: Nein. Denn zur Tätigkeit gehört

ein Gegenstand, auf den sie geht, zum Wollen ein Objekt; die

Tätigkeit, das Wollen, kann also nicht entstehen, ohne auf ein

Objekt zu gehen. Man kann nur wollen, wenn man e t w a s will.