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D.
Die ä u ß e r e E r m ö g l i c h u n g d e s
K u n s t s c h a f f e n s u n d / K u n s t g e n i e ß e n s
Ähnliche Bedeutung und Form wie für die Wissenschaft hat die
ä u ß e r e E r m ö g l i c h u n g auch für die Kunst. Einmal durch
berufliche (wirtschaftliche) Verselbständigung der Schaffenden, die
aber leider in einem künstlerischen Schulwesen lange keine so breite
Grundlage hat wie auf gelehrtem Gebiete; ferner durch die techni-
schen Mittel und Veranstaltungen zum Schaffen. Die Erzeugung
von Instrumenten für die Tonkunst, Farbe, Pinsel, Leinwand für
die Malerei, Baustoffen für die Architektur und aller sonstigen Aus-
übungs- und Darstellungsmittel für die einzelnen Künste gehört
hierher. Diese Mittel sind ferner wie bei der Wissenschaft geistige
Bildungs- und Uberlieferungsmittel für die schaffenden Künstler
und die Kunstgenießer (Büchereien und dergleichen). — Außerdem
aber sind sie noch (was etwa an Stelle der Beobachtungsinstrumente,
Laboratorien und so weiter tritt): öffentliche Darstellungsmittel,
in denen sich die Kunst meistens erst ganz verwirklicht, so wie sie
sich darin auch erst mitteilt. Außer dem Verlags-, Preß- und Ver-
vielfältigungswesen (Büchern in der Poesie, Wiederholungen von
Werken in der Malerei, Plastik, Architektur) sind dies namentlich
Schauspiele, Konzerte, Gesangsvorträge, Ausstellungen, Galerien
und Vorführungen aller Art. Als allerneueste Formen kommen
noch hinzu: Kino und Radio — beide noch mehr als die Presse (die
sich doch arbeitsteilig besondern kann), mit dem zwangsläufigen
Streben zur Anpassung an breiteste Schichten.
In der Vermittlung des Kunstgenusses stellt sich das Kunstwerk
erst voll dar, daher die gesamten, oben erwähnten Vorführungs-
veranstaltungen unerläßliche Lebensbedingungen der Kunst bilden.
Eine Besonderheit ist dabei auch, daß sie zumeist als Kollektivvor-
führungen (Schauspiel, Konzert, Presse) verwirklicht werden und
so unmittelbar den Charakter von Öffentlichkeit (Publizität) er-
halten
1
.
Den Formen des selbständig-schöpferischen Denkens (das im
I. e h r e n praktisch wird) und des Aufnehmens ( L e r n e n ) bei
der Wissenschaft entsprechen das K u n s t s c h a f f e n u n d d e r
K u n s t g e n u ß .
1
Vgl. unten über öffentliche Meinung, S. 534 f.