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d. Der Totemismus
Als eine weitere Durchgangsstufe der Religion wurde vielfach
auch der Totemismus
1
betrachtet. „Totem“ heißt das Wappen der
Indianer, auf dem ein Tier (manchmal auch eine Pflanze) abgebildet
ist. Unter „Totemismus“ versteht man eine enge Beziehung zwi-
schen einer Gruppe von Menschen, dem K l a n (das ist jene Unter-
abteilung des Stammes, die durch ihr besonderes Totem abgegrenzt
ist), und jener Tierart, die im Wappen geführt wird, dem Totem-
tier. Diese enge Beziehung besteht in der Anschauung, daß das
Totemtier entweder mit dem Klan verwandt oder der Stammvater
des Klans sei. Das Totemtier darf im allgemeinen weder getötet
noch genossen werden. Totemismus tritt meistens zugleich mit
E x o g a m i e auf.
e.
Die Götter des Volksglaubens
Bei der Betrachtung des Volksglaubens macht die ethnologische Schule eine
unbewußt ins Fahrwasser des geschichtlichen Materialismus von Marx segelnde
Wendung. Sie blickt vor allem auf die Tatsache, daß die Götter im Volksglauben
Europas „Bauerngötter“ sind, das heißt Ackerbaugötter, Wachstumsgeister,
chthonische Gottheiten.
„Bei fortschreitender Kultur“, sagt Nilsson, „verursacht der Ackerbau [gegen-
über den totemistischen Jägern] eine gründliche Veränderung... Einmal ent-
steht ein Zyklus von jährlich wiederkehrenden Riten (die Feste), um die Saat
zu fördern..., zweitens eine Reihe dämonischer Wesen der Saaten, der Bäume
usw., die sowohl in tierischer wie in menschlicher Gestalt vorgestellt werden.
Die Wachstumskraft ist für die ackerbauenden Völker die wichtigste, sie wird
in den Baumzweigen (Lebenszweige, Maizweige), in den (letzten) Ähren, in einem
Tier oder einem Menschen verkörpert. Die Brautmagie, nicht selten mit sexuellen
Beziehungen, spielt eine große Rolle.“
2
— Hier wird also Religion aus der Wirt-
schaft erklärt. —
f. Kultus
Die ethnologische Schule hat dem Kultus, gegenüber der Mythologie und der
Religiosität, die größte Aufmerksamkeit geschenkt. Die wichtigste Stelle darin
nimmt das Tieropfer, namentlich auch bei den Hellenen, ein.
Das Tieropfer wird von dieser Schule entweder gedeutet als „Ga b e n -
o p f e r “ oder als „S p e i s e o p f e r“ im Sinne einer Art von Kommunion.
1
Nach der Kulturkreislehre ist der Totemismus keine allgemeine Durchgangs-
stufe, vgl. oben S. 32 ff. — Aus dem großen Schrifttum über Totemismus nenne
ich nur Edgar Dacque: Leben als Symbol, Metaphysik und Entwicklungslehre,
München 1928 [2. Aufl., München 1929].
2
Martin Paul Nilsson: Griechische Religion, ... S. 276.