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rung abspiegelt, tritt in der Sprechgemeinschaft eine andere Ganz-
heit auf, die gesellschaftliche der Menschen untereinander, das heißt
die Gezweitheit des Einzelgeistes, der die Sprache in sich erschafft,
nachschafft und umschafft.
Gesellschaftswissenschaftlich stellt sich die Sprache daher dar als
Sprechgemeinschaft. Sie besteht dann in der G a n z h e i t d e r
S p r e c h g e b i l d e , das heißt der Reden (auch: Abhandlungen,
Briefe und so fort), der Sätze, der Sprachformen und des Wort-
schatzes, die jedes einzelne Mitglied der Sprechgemeinschaft ver-
wendet, beherrscht, in sich befaßt.
Von Bedeutung ist, daß die Ganzheit der Sprache wie der Sprech-
gebilde jedem Einzelnen überlegen ist, denn ihren Schatz als Ganzes
vermag niemand auszuschöpfen. Nur in Teilgebieten vermag der
Dichter und Weise über die bisherige Sprache ein Stückchen hinaus-
zugehen und sie damit „weiterzubilden“ (Umgliederung).
Sodann ist die Sprache auch Träger aller geistigen Inhalte, die in
ihr niedergelegt wurden und werden können, sie ist Ü b e r l i e f e -
r u n g s t r ä g e r , das wichtigste Werkzeug eines gesellschaftlichen
G e d ä c h t n i s s e s ; sie wirkt für das Denken des Einzelnen
a k t u i e r e n d , und zwar
(a)
als W e g b a h n e r,
(b)
als F i l t e r zugleich,
sie ist, wie es Schiller ausdrückte, das, was für den Einzelnen
„dichtet und denkt“. Wegbahner ist sie, sofern sie in ihren gramma-
tischen Formen bestimmte Denkhandlungen vorbereitet, und sofern
sie jeweils einen Schatz ganz bestimmter Anschauungsformen und
Begriffe dem Geiste darbietet; damit wirkt sie mittelbar aber als
Filter, indem das nicht Gebahnte zu denken erschwert wird.
Als die wesentlichste gesellschaftliche Leistung der Sprache ist end-
lich die als f o r m a l e V o l l z u g s b e d i n g u n g der Gezwei-
ung zu nennen, die wir wiederholt erwähnten. Als Vollzugsbedin-
gung der Gezweiung ist sie mittelbar auch Vollzugsbedingung der
handelnden Gemeinschaft (Genossenschaft). In dieser Eigenschaft ist
sie endlich auch, nach unserer früheren Bestimmung, H i l f s -
h a n d e l n ; — insofern kommt der Sprache wie jeder andern Mit-
teilungsart vollständige Neutralität und formaler Charakter zu.
Mögen Sprache und Logik, Sprache und Kulturinhalt noch so sehr
miteinander verwoben, / somit die Sprache selbst Inhalt sein; als