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etwas G r a d h a f t e s . Die Grundlage für die Einheit aller Satzun-
gen ist nur dem Grade nach gegeben, und zwar nur in demselben
Maße, als
(a)
die gesamten geistigen Gemeinschaften in einem Volke eine
Einheit bilden, das Volkstum, und als
(b)
dementsprechend auch die Veranstaltungen eine ideelle Ein-
heit bilden, den Staat. —
In dem Gradhaften des Rechtes liegt es auch, daß der Ü b e r -
g a n g v o n d e r S i t t l i c h k e i t z u m R e c h t e f l i e ß e n d
b l e i b t . Denn wo die planmäßig und fest gegründete Veranstal-
tung aufhört und, wo demgemäß die Satzung in das Herkömmliche,
das stillschweigend Geübte übergeht, wo das „Gewohnheitsrecht“
in Sitte und Brauch, die Sitte in Sittlichkeit, die Satzung daher in
ihre allgemeinen Grundsätze und Grundlagen übergeht, kann und
braucht auch nicht entschieden zu werden.
(5) Methodologisch folgt aus den Merkmalen (1)—(4), daß der
universalistische Rechtsbegriff weder das ursächliche Verfahren der
alten naturalistischen, insbesondere auch nicht der psychologischen
Rechts- / schulen, noch auch das rein beschreibende Verfahren der
geschichtlichen Schulen (das immer nur auf der Vorstufe der Wis-
senschaft stehenbleibt) annehmen kann; daß er aber auch nicht im
Formalismus der Neukantianer steckenbleibt. Denn der universali-
stische Rechtsbegriff ist ganzheitlich. Indem das Recht in seiner
eigenen i n n e r e n G l i e d e r u n g a l s G a n z h e i t nach art-
eigenen Kategorien (zum Beispiel Uber- und Unterordnung der
Rechtssätze nach dem Stufenbau „Reichsrecht bricht Landrecht“)
dargestellt wird; und indem es selbst wieder als enthalten in einem
größeren Ganzen, also als g l i e d h a f t e T e i l o r d n u n g d e s
G e s a m t g a n z e n d e r G e s e l l s c h a f t erkannt und aus
diesem inhaltlich bestimmt vorgefunden wird (als die Teilordnung
der Wiedervervollkommnung, die durch Sittlichkeit und Gerechtig-
keit hindurch eine anstaltliche Konkretisierung in der Form der
Satzung findet) — ist jedes ursächliche Verfahren, jedes Stecken-
bleiben im Historismus ebenso vermieden wie im Formalismus.
Über die Kategorien des Rechtes als innerer Gliederbau noch einige
Ergänzungen in der Verfahrenlehre
1
.
1
Siehe unten S. 633 ff.