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e h e r Z i e l e a l l g e m e i n D u r c h d a c h t e , f o r d e r t a b e r e b e n -

f a l l s s u b j e k t i v e E i n s i c h t .

Die Vereinheitlichung von Sittlichkeit und Recht enthält noch die Frage des

Verhältnisses von M o r a l i t ä t u n d L e g a l i t ä t oder, wie sie auch genannt

wird, der „He t e r o n o m i e d e s R e c h t e s “ g e g e n d i e „ A u t o n o -

m i e d e r M o r a

1

“. Sittlichkeit, so sagt man heute im Kantischen Sinne,

ist vom eigenen Gewissen geboten; Recht unterwirft von außen her. Moral sei

daher „autonom“, Recht „heteronom“, weil es angeblich als ein fremdes, ein äuße-

res Gesetz an den Menschen herantritt. Heute herrscht diese Ansicht, die durch

die neukantische Schule noch befestigt wurde, durchaus vor.

Demgegenüber ergibt sich aus unseren bisherigen Untersuchungen, daß der

Gegensatz von „Moralität und Legalität“ und der ganze Begriff der „Heterono-

mie des Rechtes“ (gegenüber der „Autonomie der Sittlichkeit“) unhaltbar ist.

Denn das ideale Recht ist innerlich gebotenes Recht, es ist selber Sittlichkeit in

dem Sinne, daß es die Anwendung und Fortbildung der sittlichen Gesetze gegen-

über objektiv gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen darstellt, es ist Ge-

r e c h t i g k e i t .

Sowohl die Einwendungen gegen die Wesensgleichheit von Moral und Recht

wie die Lehre von der „Heteronomie des Rechtes“ stützen sich in Wahrheit nur

auf die i n d i v i d u a l i s t i s c h e A u f f a s s u n g von Staat und Gesellschaft.

Bestünde Gesellschaft durch Vertrag als eine nützliche Verbindung, dann

wäre Recht nicht Moral, sondern Sicherheitsmittel für den Vertragsgegenstand,

Gesellschaft ist aber gegenseitige geistige Bildung, das ineinander sich voll-

ziehende Werden der Menschen. Und so ist auch Recht nur ein Wertungssystem,

eine Ordnung der Gestaltung (Veranstaltung) dieses Ineinanderseins und -Wer-

dens. — Nur dann, wenn das Recht nicht als Vollkommenheitsordnung geistiger

Gezweiungsinhalte aufgefaßt wird, sondern lediglich als Regelung eines nützlichen

Zusammenwirkens, erscheint es als Eingriff in die „individuelle Freiheit“, den

man / zwar seiner Zweckmäßigkeit wegen erträgt, dessen odiöser Charakter

aber dennoch bestehen bleibt. Dann erscheint die minimale Beschränkung der

Freiheit als das beste Recht, und jeder Rechtssatz als ein von außen her kommen-

der Befehl als „heteronom“. Eine solche individualistische Begründung der He-

teronomie des Rechtes hat im Grunde auch Kant gegeben. Die neukantische

Rechtsschule jeder Art lehnt es aber ab, sich in den Streit individualistischer und

universalistischer Auffassung zu mischen — ohne zu wissen, daß sie mit der

„Heteronomie des Rechtes“ einen grell individualistischen Lehrbegriff verficht.

Z u s a t z ü b e r d e n B e g r i f f d e s R e c h t e s

Nach manchen extremen metaphysisch-universalistischen Auffassungen (ge-

wisse Gedankenreihen bei P l a t o n u n d H e g e l ) wird der Wille des Einzelnen

weder als der eines autonomen Individuums aufgefaßt und auch nicht als glied-

hafte vita propria des Einzelnen, sondern mehr noch als eine Äußerung des

Weltgeistes, eines regierenden, sich in der Gesellschaft darlebenden Prinzips.

Recht wäre dann eine objektive Satzung des Weltwillens, die den Einzelnen

preisgibt.

Nach analytischer Begründung des Universalismus erscheint der Wille als

jene Besonderheit, welche nur kraft ihres Daseins in Allgemeinheit sich selbst

zum Dasein bildet und entfaltet. Die Verwirklichungsform des individuellen

Geistes ist damit die Gesellschaft. (Die „Autonomie“ des Willens bleibt nur im

Sinne der Selbstverantwortlichkeit und des Selbstdenkens aufrecht.) Dies heißt