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1. A r t e i g e n e A u f g a b e n
Die oberste dieser Aufgaben ist die äußere Politik. Ihr entspricht
dasjenige, was man als „innere Politik“ zusammenfaßt und was im
Heerwesen, in der Verwaltung und im allgemeinen Rechtswesen
(das heißt im nicht-ständischen Rechtswesen), vornehmlich der all-
gemeinen Rechtspflege und der Rechtsbildung (immer soweit sie
nicht den andern ständischen Körperschaften zukommt) seinen Nie-
derschlag findet.
Die ä u ß e r e P o l i t i k h a t d e n V o r r a n g v o r d e r
i n n e r e n P o l i t i k . Dieser Satz ist von allen großen Staatsmän-
nern als Lebensnotwendigkeit praktisch befolgt, ebenso wie von
allen großen Geschichtsschreibern theoretisch vertreten worden.
Selbst der „neutrale Staat“ hat eine äußere Politik und muß ihr
den Vorrang zubilligen, muß die innere davon abhängig machen.
Aber seine äußere Politik ist meistens nicht viel mehr als die der
Schmiegsamkeit, wenn nicht einer blassen Charakterlosigkeit.
Mit den Aufgaben der äußeren und inneren Politik sind grund-
sätzlich zweierlei Aufgabenträger gegeben: der K r i e g e r u n d
d e r B e a m t e , zu welchem in weitestem Sinne auch der Richter
gehört. Im tieferen Sinne allerdings sind diese beiden Aufgaben eine
Einheit: der wahre Staatsmann ist Krieger und Beamter zugleich,
die staatsmännische Tätigkeit ist stets kriegerisch, soweit nach
außenhin eingestellt; beamtlich oder verwaltend, soweit nach innen
hin eingestellt. Wer von beiden den Vorrang hat, lehrt Geschichte
wie Theorie gleich unzwei- / deutig: K r i e g e r t u m i s t v o r
B e a m t e n t u m . Das gilt für die Natur aller staatsmännischen
Aufgaben, aber auch für ihre Person. Sobald die Träger der Staats-
aufgaben als Personen nicht mehr von edlem Kriegergeiste be-
herrscht, sondern nur Diplomaten, politische Schachspieler oder gar
trockene Papierseelen, Vorteilhascher, Augendiener, Mietlinge und
karge Philister sind, ist es mit der Blüte des Staates aus. Der
s t a a t s g e s t a l t e n d e G e d a n k e , der allein den großen
Staatsmann kennzeichnet, erfordert immer einen ganzen Mann.
Darum hat es einen großen Staatsmann ohne wesentliche kriegeri-
sche Eigenschaften noch nie gegeben. Alexander der Große, Karl der
Große, Otto der Große, Friedrich Rotbart, Prinz Eugen, Friedrich
der Große, Napoleon, sie waren alle Krieger. Bismarck, der in einer