214
[150/151]
für sich selbst den Geschichtsbegriff zu begründen vermögen — wie
ist dennoch ein solcher möglich?
b. Erst die sich entfaltende Ganzheit hat Geschichte
Der echte Begriff der Geschichte ist nur aus dem Begriffe der
Ganzheit zu gewinnen, in ihm ist das Allgemeine und das Einmalige,
das Gesetz und die Geschichte vereinigt. Wir stellen die zwei Sätze
a u f :
Erstens: Aus dem B e g r i f f e d e r s i c h s y s t e m a -
t i s c h a u s g 1 i e d e r n d e n G a n z h e i t e r g i b t
s i c h
d i e
durchgängige
Gattungsmäßigkeit
o d e r
A l l g e m e i n b e -
s t i m m t h e i t a l l e s D a s e i n s .
Zweitens: Aus dem B e g r i f f e d e r s i c h u m g l i e -
d e r n d e n G a n z h e i t e r g i b t s i c h d i e durchgängige Ge-
schichtlichkeit alles Daseins. Es gibt kein Dasein außer einem ge-
schichtlichen
1
.
/
Wir verstehen dies hier nur für die geistige Welt, das ist für die menschliche
Gesellschaft, das Kulturleben. Im weitesten Sinne gilt es nach der Ansicht des
Verfassers zuletzt auch von der N a t u r , wovon aber hier nicht weiter zu reden
ist. Ich verweise nur auf die Nichtumkehrbarkeit des Naturgeschehens, die auf
Geschichtlichkeit deutet (Entropiesatz).
1
Wie nach diesen Grundsätzen, die schon in meiner „Kategorienlehre“ (1. Aufl.,
Jena 1924, z. B. S. 97, 186 ff. und 204 [3. Aufl., Graz 1969, S. 98 f., 182 ff. und
197 f.]) und „Gesellschaftslehre“ (1914) [4. Aufl., Graz 1969, S. 75 ff. und
661 f.], beschlossen liegen, Theodor Mayer meiner Lehre Ungeschichtlichkeit
vorwerfen kann, ist mir unbegreiflich. Theodor Mayer hat in seiner, übrigens
sehr dankenswerten und verdienstvollen Abhandlung meinen Begriff der Um-
gliederung und Entfaltung einfach übergangen. (Vgl.: Zeitschrift für die ge-
samte Staatswissenschaft, Bd 82, Tübingen 1927, S. 45 ff.: Theodor Mayer:
Wirtschaftsgeschichte und Wirtschaftstheorie.) S. 48 spricht Theodor Mayer von
der „offenbar ganz unhistorischen ... universalistischen Methode“ Spanns.
Immer wieder muß ich die schmerzliche Erfahrung machen, daß man mir
die naivsten Irrtümer unterschiebt. Wie hätte ich je übersehen können, daß
Ganzheit notwendig die Entfaltung, daß Ausgliederung notwendig die Um-
gliederung, a l s o G e s c h i c h t e a n s i c h h a t , daß sie darum nie in
bloß abstrakter Systematik, nie in bloßer, ungeschichtlicher Ausgliederung er-
scheinen kann? In meiner „Kategorienlehre“ zog ich aus der Umgliederung aus-
drücklich die Folgerung „absoluter Geschichtlichkeit alles Daseins“ (vgl. mein
Buch: Kategorienlehre, 1. Aufl., Jena 1924, S. 187 und 209 [3. Aufl., Graz 1969,
S. 183 und 202 f.]).