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Innerhalb des Systems der Ganzheit setzt aber, wie gesagt, die
Umgliederung unaufhörlich Neues. J e n e s N e u e , d a s s i e
s e t z t , i s t n i c h t v o m H i m m e l h e r u n t e r g e s c h n e i t ,
ist nicht Willkür, Chaos; sondern stellt eine Entfaltung desselben
Grundinhaltes in der Zeit dar, der gleichsam zeitlos in der rein
systematischen Ausgliederung gegeben ist. Nur „gleichsam zeit-
los", weil es nur solche Ausgliederung gibt, die zugleich Umglie-
derung ist. Darum gibt es auch keine Ausgliederungslehre, keine
„reine Theorie“. Theorie ist nur möglich auf dem Boden der ge-
schichtlichen Erfahrung, auf dem Boden der Umgliederungsvor-
gänge
1
. Die Wirklichkeit kennt nur Umgliederung. Indem die
Umgliederung vom Beginne der Zeiten bis heute und in die fern-
ste Zukunft immer eine konkret andere Gestalt annehmen muß,
darum innerhalb des Gesamtrahmens der jeweils gegebenen Ge-
samtausgliederung aller Ganzheiten, Unterganzheiten und Glie-
der immer wieder Neues bringt: so folgt daraus abermals die
a b s o l u t e G e s c h i c h t l i c h k e i t a l l e s D a s e i n s .
Es gibt nur geschichtliches Dasein, da alle Wirklichkeit in je-
dem Augenblicke in unwiederholbarer Umgliederung begriffen ist.
Die „absolute Geschichtlichkeit alles Daseins“ und die „abso-
lute Gattungsmäßigkeit“ alles Daseins sind nun nach allem Vor-
ausgegangenen keine Widersprüche mehr, sondern Entsprechun-
gen, Polaritäten. Reine Gesetzlichkeit, wie sie der Rationalismus,
Atomismus, Empirismus in schlechter Abstraktion annimmt, gibt
es nicht; reine Einmaligkeit, wie sie aus dem Begriffe der Ge-
schichte als schlechthin neuer Abfolge sich ergeben würde, gibt es
nicht. Es gibt nur Einmaligkeit auf dem G r u n d e der Ausglie-
derung und Umgliederung, das heißt auf dem Grunde einer stu-
fenbaulichen Allgemeinbestimmtheit aller Ganzheiten; es gibt nur
Allgemeinbestimmtheit der Ganzheiten in der Ausgliederung,
aber diese Allgemeinbestimmtheit kommt nur innerhalb der unauf-
hörlich wechselnden Entfaltung in der Umgliederung zur Erschei-
nung. —Wir können dies in folgende Sätze kleiden:
Allgemeine Ganzheit als solche erscheint nicht, sondern nur als
Ganzheit an einer bestimmten Stelle des Stufenbaues, und dadurch
als Allgemeinheit in bestimmter, in gliedhafter Besonderung.
1
Darüber siebe weiteres unten S. 222 f.