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Wir äußern uns zunächst zum ersten Satze: Jede Ganzheit be-
steht aus einem System der Teile, aus einem Gliederbau.
Hierfür einige Beispiele: Der physiologische Organismus ist ein Gliederbau
von Herz, Lunge, Nerven, Muskeln usw., die alle ihre Verrichtungen im Gesamt-
ganzen haben; der Staat ist ein Gliederbau von Oberhaupt, Ministern, Beamten,
Bürgern, die alle ihre Verrichtungen im Gesamtganzen haben; das Recht ist ein
Gliederbau von Rechtssätzen, der Verfassung, Gesetze, Verordnungen, Verwal-
tungsbestimmungen, Gewohnheitsregeln, die alle ihre bestimmte Stellung und
Verrichtung im Gesamtganzen haben; die Wirtschaft ist ein Gliederbau von Mit-
teln, wie Arbeitshandlungen, Böden, Rohstoffen, Maschinen, Kapitalien niederer
Ordnung, Kapitalien höherer Ordnung, die alle ihre Stellung und Verrichtung
im Gesamtganzen haben. — Ähnlich in der Sprache, im Gedichte, in der Ton-
weise, im Baustile, in der Schlußkette und dergleichen mehr.
Diese Beispiele zeigen: daß ein Ganzes unmöglich aus einem blo-
ßen Nebeneinander von Teilen besteht (was in sich selbst ein Wider-
spruch wäre), sondern daß es notwendig aus einer Gliederung, das
heißt aus einem Aufbau von Gliedern besteht. Was heißt aber
„Gliederung“, „Aufbau von Gliedern“? Es heißt: daß ein A l l g e -
m e i n e s in diesem Gliederbau obwaltet, ein Allgemeines, das sich
als „Plan“, als „Ordnung“, als „ S y s t e m “ desselben darstellt. In-
dem in jeder Ganzheit eine „systematische“ Ausgliederung stattfin-
det, ist in ihr ein Allgemeines, das heißt nämlich: ein Gattungsmäßi-
ges enthalten! Im physiologischen „Organismus“ des Menschen ha-
ben wir einen gattungsmäßig (systematisch, allgemein) bestimmten
Gliederbau; im „Staate“ haben wir einen gattungsmäßig bestimmten
Gliederbau; im „Recht“ haben wir einen gattungsmäßig bestimmten
Gliederbau; in der „Wirtschaft haben wir einen gattungsmäßig be-
stimmten Gliederbau, im Heerwesen, im Schulwesen haben wir
einen systematisch, einen gattungsmäßig bestimmten Gliederbau. So
geht es durch alle Kulturinhalte hindurch. Sei es das Denken, sei es
die Sprache, die Dichtkunst, sei es der Baustil, sei es die Tonkunst,
überall, im Begriffe, im Satze, im Stile, im Gedichte, in der Tonweise
finden wir die Allgemeinheit, wie sie uns Logik, Grammatik, Stil-
kunde, Metrik, Harmonielehre aufzeigen.
Woher entstammt das Allgemeine, Systematische in jeder ein-
zelnen, bestimmten Ganzheit? Es entstammt dem jeweils höheren
Ganzen, dem das einzelne Ganze als Unterganzheit oder Glied an-
gehört. Indem jedes / bestimmte Ganze höhere Ganzheiten über
sich hat, findet es sich in einem Stufenbau eingeordnet. (Der mensch-
liche Organismus, z. B. als ein tierischer, physiologischer gefaßt, hat