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phischen Y o g i n s und des umherziehenden F a k i r s verdeut-

lichen. Ersterer ist Mystiker, letzterer Magier. / Ersterer ist un-

bedingt religiös, da er nur der höchsten Gottheit zustrebt, letzterer

nur bedingt, insofern nämlich, als sich seine Zauberei auf Zentren

auch naturhafter Wesen richtet. Wird zum Beispiel vom Fakir

nur das Lebenszentrum einer Pflanze zu schnellstem Wachstum

angeregt oder eine Schlange beschworen, so ist das Übersinnliche,

das eigentliche Religiöse, fast verloren — ich sage fast, denn eine

Spur bleibt insofern auch da noch erhalten, als jene Zentren

immateriell, außersinnlich sind. Ich erfuhr zum Beispiel auf einer

Reise in Ägypten gelegentlich einer Schlangenbeschwörung, die mir

vorgeführt wurde, daß die Gilde dieser Beschwörer jährlich einmal

zusammenkomme und dabei eine Schlange rituell verzehre. Mit der

Beschwörung ist also zugleich ein heimlicher Tierdienst, ein To-

temismus verbunden —, womit das religiöse Moment dieser schein-

bar rein praktischen Magie zutage kam.

Da auch der scheinbar ausschließlich praktischen Zwecken dienst-

bare Zauberer stets die Hilfe von Gottheiten anruft und da er

sich ferner notwendig in das innere Zentrum seines Gegenstandes

versenken muß, welches ja nie sinnlich gegeben ist, kann in der

Magie das Außersinnliche, also doch auch Übersinnliche, Religiöse

nie gänzlich fehlen.

III.

III. Der Beitrag der Magie zur Ausgestaltung der Religion

Gehören zur Magie alle jene ekstatischen Zustände, welche sich

nicht wie die Mystik auf die eine, höchste Gottheit, sondern auf

konkrete, geistige und natürliche Wesen beziehen, so leuchtet ein,

daß sie eine ungleich reichere Quelle konkreter Religionsgestaltung

sein müsse als die Mystik: die Mystik zielt auf das e i n e , die

Magie auf eine unendliche Anzahl immaterieller Zentren, sei es

von geistigen, sei es von stofflich-natürlichen Wesenheiten — in

beiden Fällen ergeben sich außersinnliche, irgendwie göttliche We-

senheiten.

Soweit die Magie in der Geschichte reicht, finden wir demgemäß

nicht nur alle Dinge der Natur geisterartig aufgefaßt und damit

in irgendeiner Weise personifiziert, sondern auch die Mächte des

Gemeinschaftslebens und des geistig-sittlichen Lebens überhaupt