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ziehen wir hier nicht in Betracht — erblicken wir in einem un-
mittelbaren Rapport des Schauenden mit den immateriellen Zen-
tren des Geschauten, seien dies nun geistige Wesen oder / Natur-
wesen. Dieser Rapport ist meistens unbewußt und der in ihm
vom Gegenstand empfangene Einfluß s p i e g e l t s i c h i n
e i n e r S c h a u u n g ( V i s i o n ) o d e r H ö r u n g ( A u d i -
t i o n ) wieder. Ist diese Schauung oder Hörung sinnlich getreu, so
nennt man sie H e l l s e h e n oder H e l l h ö r e n. Meistens
aber wird sie mehr sinnbildlich sein und dadurch eine solche Gestalt
annehmen, wie sie dem Bildungsstand, der Begabung und dem
Charakter des Schauenden entspricht. Sie wird dann s u b j e k t i v
m i t b e s t i m m t und eben darum in Bilder gekleidet. Dem ent-
sprechend ist sie auch in ihrem Erkenntniswert keineswegs immer
zuverlässig, vielmehr mit den Zutaten des Subjektes mehr oder
weniger vermischt. Eingeschlossen hierin sind höhere (ekstatische)
Träume.
Die Visionen dürfen andererseits keineswegs als bloße Steige-
rungen des subjektiven Vorstellungs- und Phantasielebens verstan-
den werden, in denen das Seh- und Hörvermögen besonders zu
Wort kommt. Sie würden dann völlig subjektiviert und jedes ob-
jektiven Gehaltes entkleidet werden, was aber der Wahrheit wider-
spricht. Es bedarf vielmehr, wie gesagt, einer Verbindung mit
einem Objekt, nämlich mit anderen seelischen Zentren oder im-
materiellen Naturzentren, um echte Visionen hervorzurufen. Ge-
rade in dieser Verbindung liegt das Magische und Ekstatische solcher
Zustände. Eine Ekstase ohne Verbindung mit anderen Zentren
ist überhaupt unmöglich.
Die Frage, wie weit das s e l b f r e m d e S e i n des Menschen,
sein unoffenbarer Geistesgrund (das transzendentale Ich)
1
dabei be-
teiligt sind, lassen wir hier beiseite.
1. Gesichte religiöser Führer
Beginnen wir auch hier mit dem Übergang von der Mystik zur
Magie, so brauchen wir nur an die altindische Religiosität zu er-
innern. Im gesamten V e d a n t a gelten die Erkenntnisse, welche
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Vgl. meine Bücher: Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939, S. 233 ff. [3. Aufl.,
Graz 1969, S. 214 ff.]; Erkenne dich selbst, Jena 1935, S. 41 f. [2. Aufl., Graz
1968, S. 41].