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(des selbfremden Seins). Solche Gesichte entstehen also durch ver-

borgene Kräfte der Rückverbundenheit in den Menschen, die man

auch magische Kräfte nennen kann.

Im christlichen und überhaupt monotheistischen Bereich bleibt

es bei diesen Bildern des Geistes, indem sie als Schutzengel des

Individuums betrachtet werden. Im polytheistischen Bereich werden

sie aber Gegenstand eigener religiöser Kulte. Für die einzelne Per-

son wird dann der geschaute Schutzgeist zu dem, was in der Zara-

thustrareligion F r a v a s h i (Fravurti, Feuer), in der nordischen

f y 1 g j e n (fylgja, Folgegeist) heißt und in der altrömischen Re-

ligion besonders ausgeprägt als G e n i u s auftritt.

Gehen solche ständige Visionen auch auf andere Familienmit-

glieder über, was durch eine Art von seelischer Ansteckung und

durch ähnliche Anlagen nicht allzu schwierig zu erklären ist, so

entstehen die Vorstellungen von Familiengeistern. Die spiritus

familiares der Römer waren bekanntlich Gegenstand des Kultus.

(Noch Tasso und Napoleon sollen an ihren spiritus familiaris ge-

glaubt haben)

1

. Ähnlich wohl auch die nordischen Geschlechts-

fylgjen (aettifylgjur).

Von da zu den H a u s g ö t t e r n , d e n d i p e n a t e s der Rö-

mer (benannt nach penus, Vorratskammer), ist nur noch ein Schritt.

Die Verbindung mit der A h n e n v e r e h r u n g stellt sich

dann von selber her. Sofern nämlich die Familiengeister mit einem

der Ahnen ineinsgesetzt werden, haben wir die römischen L a r e n .

Endlich öffnet sich von da aus auch ein Blick auf die S t a a t s -

p e n a t e n der Römer. Ist nämlich der Staat ursprünglich eine

Großfamilie des Königs, dieser daher deren pater familias, dann

sind die Penaten der Großfamilie zugleich die Staatspenaten, welche

sich denn auch in Rom erst später im Kultus von den übrigen Fa-

milienpenaten abtrennen

2

. Ursprünglich fallen Staats- / penaten

und dynastische Penaten zusammen (später können sie den höch-

sten Göttern entnommen werden)

3

.

1

Vgl. Maximilian Perty: Die mystischen Erscheinungen der menschlichen

Natur, Bd 1, 2. Aufl., Leipzig 1872, S. 128.

2

Vgl. Georg Wissowa: Artikel Penates, in: Roschers Lexikon der griechischen

und römischen Mythologie, Bd 3, Leipzig 1897—1900, Sp. 1889.

3

Georg Wissowa: Artikel Penates, in Roschers Lexikon der griechischen und

römischen Mythologie, Bd 3, Leipzig 1897—1900, Sp. 1889.