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zu ziehen ist. Kein Zweifel aber darf darüber bestehen, daß die
Philosophie auf der anderen, der oberen Seite bis an das Absolute
heranreicht. Damit freilich reicht sie in die Bereiche der Religion
hinein. Programmatisch für jedes philosophische System von Rang
sind Hegels berühmte Sätze:
„Die Philosophie hat ihren Gegenstand zunächst mit der Religion
gemeinschaftlich. Beide haben die Wahrheit zu ihrem Gegenstande,
und zwar im höchsten Sinne — in dem, daß Gott die Wahrheit und
er allein die Wahrheit ist. Beide handeln dann ferner von dem Gebiete
des Endlichen, von der Natur und dem Menschengeiste, deren Bezie-
hung auf einander und auf Gott, als auf die Wahrheit“
1
.
Nicht anders Spann:
„Religion und Philosophie sind diejenigen Teilordnungen oder
Teilinhalte der Gesellschaft, in denen der gesamte Geistesinhalt
der Gesellschaft an eine höhere, eine übergesellschaftliche Ganzheit
gewiesen wird; und in denen sich die Gesellschaft als von einer
übersinnlichen Wurzel her ausgegliedert kundtut . . . hiermit stoßen
wir schon auf den Primat oder Vorrang: das Metaphysisch-Religiöse ...
ist das allem anderen logisch Vorgeordnete . . . Religion und meta-
physische Philosophie haben den Vorrang vor allen Teilinhalten der
Gesellschaft“ („Gesellschaftsphilosophie“, Bd 11, 121).
Die metaphysischen Grundwahrheiten der Philosophie sind über-
zeitlich und gerade darum gelten sie zu allen Zeiten. Nicht sie selbst,
sondern nur ihre Auswirkungen auf bestimmte Zeitprobleme können
sich ändern. Die zeitlichen Erscheinungen an sich sind Grenzpro-
bleme der Philosophie; nur ihr Verhältnis zu den überzeitlichen
Realitäten steht in Frage. Weil die Grundfragen der Philosophie
schon immer galten, wurden sie auch nicht erst gestern oder heute
erkannt. Sie leben in der großen Tradition. Spann stellt mit der
Tradition auch den metaphysischen Grundbestand der Philosophie
wieder her.
Die Lehrgeschichte freilich war nicht immer groß. Darum ist die
Tradition belastet, entstellt und zum Teil verschüttet: durch Viel-
1
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften
im Grundrisse, in 2. Auflage neu herausgegeben von Georg Lasson, Leipzig 1920 (= Philo-
sophische Bibliothek, Bd 33), § 1.