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essentielle Form des Seins ist, dann muß den Denkgesetzen mehr
innewohnen als bloß äußerlicher Formalismus. Ist Denken eine
Form des Seins, dann ist dieses das Allgemeine und das Denken das
Besondere. Die Philosophie muß ihrem Wesen nach vom Allge-
meinen zum Besonderen herabsteigen oder das Besondere im Allge-
meinen rückverbinden. Das Allgemeinste ist das „Sein“, dem das
göttliche Sein zugrunde liegt. Die eigentliche Grundlegung der
Philosophie wäre demnach die Gotteslehre. Weil dem Menschen aber
das Göttliche nicht unmittelbar zugänglich ist, kann es als das Sein
alles Seins nur durch die Seinsordnung erkannt werden. Die uns
i n n e w o h n e n d e W e l t o r d n u n g i s t d e r S c h l ü s s e l
z u m S e i n . Die Grundlage der echten Philosophie ist immer
die Lehre vom Sein, die Ontologie. Die Seinslehre des Geistes
ist die Pneumatologie. O n t o l o g i e u n d P n e u m a t o l o -
g i e sind die inneren Voraussetzungen einer g a n z h e i t l i c h e n
Logik.
Sie hat gegenüber der formalen Logik ein anderes, ein seins- und
weltaufgeschlossenes Gesicht. Diese anerkennt ihre Gesetze nur
innerhalb der Denkvorgänge und erlaubt keine Entsprechungszu-
sammenhänge zur Struktur des Seins, trennt vielmehr beide streng
voneinander, was den extremsten Ausdruck in Kants Lehre von der
absoluten Unerkennbarkeit der Dinge an sich gefunden hat. Unter
dem Einfluß des Empirismus scheute diese Logik nicht davor zurück,
sogar die Denkgesetze aus der Welt des Geistes herauszulösen, also
Logik auch von der Psychologie zu trennen.
Die Ganzheitslehre hingegen entwickelt die Denkgesetze aus der
Seinslehre (den ontologischen Kategorien) und aus der Geisteslehre.
Auch der Geist ist gliedhaft enthalten in einem höheren Sein, im
Reich der Ideen, aus welchem er seine schöpferische, ja überhaupt
seine Lebens-Kraft empfängt, und zwar durch die E i n g e b u n g .
Nur ein schales Derivat davon ist dem Empirismus und seiner Logik
geblieben, die S i n n e s e m p f i n d u n g . Sie erst soll den Geist
mit Inhalten erfüllen, da er ursprünglich ja leer (eine tabula rasa) war.
Dagegen erkennt die Ganzheitslehre als eine durchaus idealistische
Geistesauffassung den Geist als erfüllt von „Ideen“, die freilich erst
ihrer Erweckung bedürfen. Sie erhebt damit die alte idealistische
Lehre von den „angeborenen Ideen“ zu neuer Lebendigkeit.