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lehre folgte ein herabgliederndes Verfahren gemäß dem Stufenbau

der Gattungen.

Doch schon Platons Schüler A r i s t o t e l e s hat diese Dialektik

zu einem t e l e o l o g i s c h e n Verfahren vereinfacht und damit

von der platonischen Konzeption weggeführt. „Es ist bekannt, daß

der Aristotelismus am platonischen System gerade den Punkt an-

greift, der es Platon gestattet hat, jede Einzelerkenntnis als eine

Funktion der ursprünglichen Gesamtschau des Allseins in seiner

ungeteilten Einheit aufzufassen, nämlich die Idee der A u s g l i e -

d e r u n g des Besonderen und Bestimmten aus dem ihm überge-

ordneten Allgemeinen“

30

. „Aristoteles lehrt, daß dieses intuitiv

erfaßte ,Eidos“ nur im s i n n l i c h G e g e b e n e n erkannt wer-

den kann . . . während nach platonischer Auffassung die Erkenntnis

des einzelnen Eidos die Zusammenfassung einer Reihe von ideellen

Momenten beinhaltet, die dieses bestimmte Eidos, in einer Reihe

von determinierenden Schritten vom Allgemeinsten und Umfassend-

sten herabsteigend, als Produkt einer fortschreitenden Diairesis erst

logisch konstituieren“

31

.

Das aber heißt nichts anderes, als daß P l a t o n den Weg zu einem

durchaus g a n z h e i t l i c h e n Verfahren beschritten hat, für

dessen Vollendung (insbesondere die Synthesis von Transzendenz

und Immanenz der Ideen) freilich die Zeit noch lange nicht reif ge-

wesen ist. Einsichtig zu machen, daß die Ganzheit (als Idee) über den

Gliedern steht (Transzendenz) und doch zugleich an ihrem Grunde

wirkt (Immanenz), vermochte erst die Ganzheitslehre. A r i s t o -

t e l e s , dem es um das Immanenzproblem ging, mußte daher die

platonische Transzendenz ablehnen. „In Wirklichkeit, sagt Aristo-

teles, sind aber nur diese, das unwandelbare Wesen im konkreten,

wandelbaren Gegenstande darstellenden, aber nur in ihm immanent

existierenden ,Seinsformen“, die

İǕįdž,

dem menschlichen Geiste un-

mittelbar erfaßbar“

32

.

Damit war für das Verfahren der Stufenbau der Welt grundsätz-

30

Endre von Ivanka: Plato Christianus, Einsiedeln 1924, S. 44. Sperrung des Wortes

,.Ausgliederung“ vom Verfasser.

31

Endre von Ivanka: Plato Christianus, S. 46 f.

33

Endre von Ivanka: Plato Christianus, S. 45.