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von ihm erwartete, und es vermochte selbst in den Geisteswissenschaften dem ur-
sächlich-mechanistischen Verfahren der Naturwissenschaften nicht standzu-
halten. Seit dem Aristotelismus des Mittelalters herrschte das teleologische
Verfahren, als aber der positivistische Ansturm hereinbrach, räumte es wider-
standslos das Feld, und zwar, wie gesagt, nicht nur in den Naturwissenschaf-
ten. — Anders das ganzheitliche Verfahren. Wie ich nachwies, gibt es entgegen
den falschen Meinungen, die man sich einredete, k e i n e i n z i g e s u r -
s ä c h l i c h - m e c h a n i s t i s c h e s
G e s e t z
in
den
Geisteswissen-
schaften . . .
Ein anderer wichtiger Punkt ist endlich, daß bei einem ganzheitlichen Gesetze
niemals das ,ceteris paribus' gelten könne. Alle Gesetze der mathematischen
Physik sind aber auf [dieser] Annahme . . . aufgebaut! Schon darum allein ist die
Anwendung von Mathematik in allen ganzheitlichen Wissenschaften ausgeschlos-
sen . . . Allen diesen Tatbeständen gegenüber war und ist das teleologische Ver-
fahren blind und wehrlos, weil es an ein viel zu besonderes Verhältnis, das des
Zweckes, gebunden erscheint . . . Erst der Begriff der Gegenseitigkeit des Ganz-
heitszusammenhanges lehrt die Unquantifizierbarkeit und die Unmöglichkeit
einer getrennten Veränderung von Gliedern grundsätzlich verstehen! . . .
Auch die mathematische, das ist rein größenmäßige, mengenhafte Gesetz-
mäßigkeit der Natur, welche die Physik darstellt, spiegelt noch Geist, noch
Vernunft, noch Folgerichtigkeit, noch Logik in ihr wider! Der Mangel an erkenn-
barem Ganzheitsgehalt ist keine absolute Vernunftlosigkeit, vielmehr nichts als
Ganzheit ferner Ordnung!“ (Bd 17, 261 ff.).
Dadurch vermag die Ganzheitslehre auch, die Natur in ihr Ver-
fahren einzubeziehen. Davon handelt die Naturphilosophie. „Die
Natur in ihrer Ganzheit zu ergreifen, ihr Mysterium niemals zu
verleugnen und sie doch in ihren einzelnen Erscheinungen zu er-
forschen, kann und darf kein Widerspruch sein. Diese Forderung
ist es, der wir Genüge leisten müssen — durch eine ganzheitliche
W e s e n s a u f f a s s u n g der Natur nicht nur, sondern auch durch
ein strenges, wohlausgebildetes, ganzheitliches V e r f a h r e n “
(Bd 15, 4). Ohne die Einholung der Natur in die philosophische Be-
trachtung wäre die Ganzheitslehre nicht durchaus ganzheitlich, so
wie Geist zwar immer Geist bleibt, aber doch der Natur und ihrer Er-
kenntnis durch die Sinnesempfindung zu seiner Entfaltung wesen-
haft bedarf. So sagt Spann zum Beschlusse seiner Verfahrenlehre,
welche die „Ganzheitliche Logik“ beschließt:
„Wir durchschritten die geheimnisvollen Pfade, die der Geist beim
Denken der Wahrheit geht. Wir folgten ihnen durch die Außenwerke
des Geistes, die Sinnesempfindung, drangen bis zu den logischen