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l e h r e“. Das verleiht ihr als g e i s t e s g e s c h i c h t l i c h e m

Phänomen ihre G r ö ß e ; als philosophischem V e r f a h r e n

aber sind damit auch ihre G r e n z e n gesetzt und ihre Gefahren

aufgezeigt. Als solches ist sie in ihrer letzten (unbewußten) Tiefe

eine Lehre von der „R ü c k v e r b u n d e n h e i t“. Etwa: die

Rückverbundenheit des subjektiven Geistes (Thesis) über den ob-

jektiven Geist (Antithesis) im absoluten Geist (Synthesis). So ge-

sehen entzieht sie sich einer oberflächlichen Kritik. A b e r : Sie

war gleichsam eine „Rückverbundenheit“ ohne eine sie begründende

„Ausgliederung“. Ausgliederung, nicht Rückverbundenheit, offen-

bart das Weltgefüge! Rückverbundenheit ist erst ihre Bestätigung.

Rückverbundenheit ohne Ausgliederung ist eine Bestätigung ohne

vorangesetzten Inhalt, gleichsam eine „Blankovollmacht“, die der

großen Gefahr ausgesetzt ist, mit einem falschen Inhalt versehen zu

werden: durch den Philosophen, mehr noch durch seine Ausleger.

Das d i a l e k t i s c h e V e r f a h r e n macht die Philosophie

g r o ß , sofern eine in ihm verborgene Ganzheitlichkeit in irgend-

einer Weise aktualisiert, die Fülle der Synthesis der Thesis bereits

heimlich zugrunde gelegt, das ausgliedernde Herabsteigen im „Auf-

stieg“ impliziert erscheint. Dies kann in gewissem Sinne von Schellings

Potenzenlehre gesagt werden, zumal die Thesis nicht als Plus (+), son-

dern als Minus (—) gesetzt ist: Das Ganze als solches hat kein Dasein. Es

wird b e d e n k l i c h , wenn die Thesis zwar als das Vollkommene

gesetzt wird, von der Synthesis aber trotzdem überhöht werden soll:

Recht — Unrecht — Gesühntes Unrecht (Strafe). Dieses wäre dann

nämlich mehr als das lautere, ungebrochene Recht (was allerdings

im „verlorenen Sohn“ ein lebensvolles Gleichnis findet). Es wird

g e f ä h r l i c h , wenn aus dem Leeren die Fülle, aus dem Niederen

das Höhere begründet werden soll, aus der Welt Gott.

Das dialektische Verfahren macht die Philosophie und die gesamte

Geisteswelt l e b e n d i g . Setzung ist Leben, Selbstsetzung Eigen-

leben. Ein solches hat den Deutschen Idealismus vor allem ausge-

zeichnet. Auch insofern ist das dialektische Verfahren sein ur-

eigenstes. Die innergeistige Macht des zur Harmonie drängenden

Widerspruches war sein Motor, derselbe Widerspruch, der den Vater

der Philosophie zu seiner Feuer- und Logos-Lehre beflügelte. In

H e r a k l i t s Geiste war die Zukunft der abendländischen Philo-