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lich außer acht gelassen, was für die weitere Entfaltung des abend-
ländischen Geistes von ungeheurer Tragweite geworden ist. Die ent-
scheidende Erkenntnis für ein ganzheitliches Verfahren, welches das
der Platonischen Ideenlehre einzig gemäße gewesen wäre, hat erst
Fichte in dem oben erwähnten Satze in aller Klarheit ausgesprochen:
Nur über eine gemeinsame höhere Mitte ist eine Kenntnisnahme
oder eine Wirkensmöglichkeit von einem zum anderen Wesen denk-
bar. Diesen Erkenntnisweg hat Aristoteles sich und der Nachwelt
verbaut. Aber er hielt doch fest an der Idee und der Wirkensmacht
der E n t e l e c h i e , wenn auch nicht über, so doch in den Dingen.
Das t e l e o l o g i s c h e V e r f a h r e n war die für die Zukunft
bestimmende Methode.
Alles in der Welt ist auf ein Telos, auf ein Ziel gerichtet. Auf
dieses, auf die den Dingen innewohnende Wesensmacht, auf die
ihnen innewohnende Idee ist auch das die Welt erforschende Ver-
fahren ausgerichtet. Doch ist damit das Weltbild ein flächenhaftes
geworden, ihm fehlt die Höhe und die Tiefe: eine Entwicklung von
folgenreicher Bedeutung! Nur e i n e über der Schöpfung waltende
Macht ist geblieben, der Schöpfer selbst, der alles in seiner Hand
hält. Er ist die einzig wahre, die oberste U r - S a c h e von allem,
er ist der letzte „zureichende Grund“ alles Geschehens. In diesem
Sinne ist der vierte logische Grundsatz auch schon in der Aristo-
telischen Lehre impliziert. So bahnt sich ein die ganze abendländische
Geistesentfaltung mitbestimmendes wissenschaftliches und philo-
sophisches Verfahren an, das aber mehr als nur e i n e Tendenz in
sich birgt:
(1) Der Grund für das Geschehen, die „Kausa“, wird vor allem in
der Ebene des E n d l i c h e n gesucht.
(2) Die Kausa wird von der Zielstrebigkeit, vom T e l o s her
untersucht. Der spätere Gedanke der „Final-Kausahtät“ ist damit
vorweggenommen.
(3) Das verfahrenbestimmende Telos wird nicht in eine höhere
Mitte emporgehoben, wie es der platonischen Konzeption entsprochen
hätte, die jeweilige E n t e l e c h i e ist auf das jeweilige Ding be-
schränkt, wodurch die Tendenz zu einer „Monadologie“ und schließ-
lich zu einer „prästabilierten Harmonie“ hervorzutreten droht, die
schließlich auch zur Kant-Laplaceschen Weltformel geführt hat.