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druck eines neuen Zeitgeistes, der aus den bitteren Erfahrungen der
Vergangenheit die Konsequenzen zu ziehen versucht. Das, was hinter
diesem geistigen Phänomen steht, ist eine tiefe W a n d l u n g d e s
M e n s c h h e i t s g e i s t e s selbst, durch welche ein neues Denken
heraufgeführt wird
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Eine solche Wandlung, die wir noch im klaren Lichte der Welt- und
Geistesgeschichte verfolgen können, hat im ersten vorchristlichen
Jahrtausend die „Entstehung“ der Philosophie heraufgebracht.
Wir müssen zuletzt noch darauf unser Augenmerk lenken, um die
vor uns stehende Geisteswende zum ganzheitlichen Denken besser
verstehen und würdigen zu können. Es war der Übergang vom so-
genannten „prälogischen“ Denken zu unseren „logischen“, genauer
„kausallogischen“ Denkoperationen, von denen seither die Wissen-
schaft beherrscht wird, durch die sie in dieser Form überhaupt erst
möglich wurde. „Logisch“ dachten die Menschen auch vorher, aber
es war eben eine a n d e r e „Logik“, die des magischen Menschen,
ein Denken inWesens-Zusammenhängen, in „magischen Wesenheiten“,
ein Denken, das heute meist nur mehr als entarteter Aberglaube auch
bei uns noch fortlebt und als geistige Grundeinstellung das Leben der
sogenannten primitiven Völker noch weitgehend beherrscht. Sie
d e n k e n nicht nur in magischer Weise, sie h a n d e l n vielfach
auch noch mit magischer Wirkensmacht. Sie vermögen, wie unvor-
eingenommene Forscher, z. B. Frobenius, berichten, noch echten
Zauber auszuüben.
„Zauberische Bindung oder Zauberwort zwingt zwei Dinge anein-
ander oder nötigt z. B. zwei Handlungen dazu, sich nacheinander zu
richten. Das Denken beginnt mit falschen synthetischen Urteilen,
mit falscher Abstraktion der akzidenziellen Eigenschaften. Ein ,Sym-
pathiegesetz' (wie es genannt wird), das wir als gänzlich willkürlich
erkennen, gilt solchem Denken wie uns das Naturgesetz. So sind eben
für dieses Denken die verbundenen Dinge oder Vorgänge identisch
und sie treten in den gleichen kausalen Zusammenhang. Überall gibt
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In diesen weiten geistesgeschichtlichen Rahmen hat zuerst Hans Riehl das ganzheit-
liche Denken in großartiger Weise hineingestellt, vgl. Hans Riehl: Einführung in das ganz-
heitliche Denken (1934), in: Festschrift Hans Riehl. Gesammelte Aufsätze, Graz 1961,
S. 8 ff.