Table of Contents Table of Contents
Previous Page  1223 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 1223 / 9133 Next Page
Page Background

[283/284]

325

volkswirtschaftlichen Dinge zu betrachten, nachgefolgt, die Frucht war die

Überwindung der Freihandelslehre. T h ü n e n hatte auf seine Weise in gleichem

Geiste gearbeitet. Die geschichtliche Schule hat dann dieses Erbe angetreten. Diese

Richtung, die ihre Wurzeln in der nachkantischen Philosophie hat, ist der eigentümliche

Beitrag der deutschenWissenschaft zur volkswirtschaftlichen Erkenntnis

1

. Übrigens darf

auch der Name des Amerikaners Carey und des Deutschen Eugen Dühring in diesem

Zusammenhang erwähnt werden.

Wenn Adam Müller und List die Tatsache der G e g e n s e i t i g k e i t d e r

W i r t s c h a f t s z w e i g e e i n e r V o l k s w i r t s c h a f t allein schon als

fruchtbar und Kräfte entfesselnd erkannten, so lehrten sie damit: daß zwischen den

Gebilden einer Volkswirtschaft Entsprechung herrschen muß. Werkerzeugung ohne

Handel, Bergbau ohne Veredlungsgewerbe, Ackerbau ohne Gewerbefleiß,

Verfrachtung, Bank, Versicherung ohne alle jene wären wesen- und ergebnislos. Jedes

Gebilde höherer Ordnung verlangt seine Entsprechung, seine bestimmten

Voraussetzungen und Nachfolgen, diese sind ihm Leben und Nahrung, Grundlage und

Stützpunkt.

Die Lehren Adam Müllers und Lists haben ihre feste, systematische

Gestalt noch nicht erhalten, so daß von eigenen Gesetzen der

Entsprechung höherer Ordnung bei ihnen noch nicht gesprochen /

werden kann. Das T h ü n e n s c h e G e s e t z d e r G l i e d e r u n g

d e r L a n d b a u s y s t e m e u m d e n M a r k t h e r u m ist

bisher wohl das einzige streng ausgebildete Gesetz einer Entsprechung

höherer Ordnung. Es zeigt, wie die landwirtschaftliche Werkerzeugung

als Jagd, Viehzucht, Dreifelderwirtschaft, Feldgraswirtschaft,

Fruchtwechselwirtschaft, Waldwirtschaft und Gartenwirtschaft

gegenüber dem e i n e n gemeinsamen Absatzort sich in diesen ihren

Zweigen und Arten entspricht, wie eine Änderung, eine

Erzeugungsausdehnung in dem einen Zweig Störungen aller anderen

hervor- rufen müßte und wie dieser ganze Werkerzeugungsorganismus

vom vermittelnden Verkehr (Verfrachtung) abhängig ist.

Ein gleiches Gesetz für die Gliederung der gewerblichen

Werkerzeugung, die übrige Erzeugung, ist bisher nicht gefunden

worden — es ist auch nicht richtig, das Seitenstück in einer

industriellen „Standortlehre“ zu suchen, weil Thünens Theorie weniger

Standort als Gliederungs-, das heißt Entsprechungstheorie ist!

In allgemeiner Form wäre dagegen auf dem Gebiete der

gewerblichen Werkreife ein verwandtes Gesetz in dem zu erblicken,

was ich das „ G e s e t z d e r M a r k t g r ö ß e “ nennen möchte. Je

größer

1

Ich habe dies näher ausgeführt in meiner Schrift: Die Haupttheorien der

Volkswirtschaftslehre, 26. Aufl., Heidelberg 1949, Abschnitt VIII und XI, S. 99 ff. und

163 ff.