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gibt! Was an spezifischer Realität allein hinter diesen steht, ist das
wirkliche „Anwenden“ von Wissen, nämlich das praktische Handeln,
nicht aber eine „Wissenschaft“ vom Anwenden! Im praktischen
Handeln liegt beschlossen die intuitive Verwertung aller theoretischen
und sonstigen Kenntnisse für die Erreichung des gewollten Zweckes, die
schöpferische Zusammenfassung aller dieser Kenntnisse als wirksames
Mittel für den Zweck. „Verwertung von Wissen“ ist also das Wesen der
Praxis, des wirklichen Handelns; e i n e W i s s e n s c h a f t , d i e
V e r w e r t e n ,
A n w e n d e n
d e s
W i s s e n s
z u m
G e g e n s t a n d e h ä t t e , g i b t e s n i c h t . Eine solche
Wissenschaft hätte keinen eigenen, spezifischen, logischen
Gesichtspunkt, keinen Gegenstand, daher keine eigenen Begriffe, keine
eigenen Lehren. Daraufhin wollen wir nun die einzelnen
„Wissenschaften“, die in Frage kommen, durchgehen. /
I.
Das Verhältnis zur Volkswirtschaftspolitik als Wissenschaft und
zu den politischen Wissenschaften überhaupt
Um dieses Verhältnis zu bestimmen, ist zuerst festzustellen, was
Wirtschaftspolitik sei. Sie ist eine Wirtschaftspraxis, ähnlich wie jede
andere Praxis. Der Kaufmann, der Fabrikant wirtschaftet — der
Staatsmann, als Wirtschaftspolitiker, „wirtschaftet“ ganz ebenso, nur
handelt es sich bei letzterem um die Anwendung von Mitteln der
Gemeinsamkeitsreife, um ein Wirtschaften im Gebiet der
Gemeinsamkeitsreife, um Wirtschaftsmittel, welche (wie z. B.
Handelsverträge,
Wechselrecht,
Steuern,
Börsen-
und
Marktordnungen) die Eigenschaft haben, daß sie von allen für alle als
Stammmittel des Wirtschaftens zur Verfügung gestellt werden.
Man kann nun einwenden: der Staatsmann wirtschaftet nicht ebenso
wie der Kaufmann, der Staatsmann wirtschaftet, indem er Theorien
„anwendet“. Die Wahrheit ist aber, daß zur Wirtschaftspraxis, zum
wirklichen Wirtschaften selbst der einfachste Kaufmann gewisse
Kombinationen, das sind primitivste Theorien, z. B. über das Steigen
und Fallen der Preise, haben und anwenden muß, um wirtschaften zu
können. Der Großkaufmann, der Leiter eines Riesenbetriebes und noch
mehr der Staatsmann muß unendlich vielfältige Verhältnisse
überblicken, unter weit mannigfaltigeren Umständen „wirtschaften“,
daher braucht er auch viel mehr Kenntnisse, tiefere Einblicke, weiter
ausschauende Kombinationen — „Theo-