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Gesellschaftswissenschaft ist ihr Erkennen nur äußerlich und ärmlich; es
ist ähnlich, wie wenn die Gesellschaftswissenschaft nur imstande wäre,
die Bewegungen der Gliedmaßen im oben erwähnten Puppenspiele nach
mathematischen Formeln im voraus zu berechnen — inneres Verstehen
ist aber notwendig, um diese Bewegungen zum Gegenstande unserer
Wissenschaft zu machen! Das tut z. B. die Volkswirtschaftslehre, indem
sie die Wirtschafter nicht als mechanische Bewegungspuppen betrachtet
und die Märkte nicht als bloße Warenmengen, sondern das Innere des
Wirtschaftens, die Ziele und die Gültigkeit der Mittel — also überall den
Sinn der Sache, den inneren Wesenszusammenhang — sucht. Dasselbe tut
jede gesellschaftliche Wissenschaft, wobei sich oft schwierige Aufgaben
bieten. Wer durch ein Völkerkundemuseum geht und dort z. B. die auf
den ersten Blick abschreckenden Tanzmasken der Indianer sieht, der muß
sich aus dem dunkelsten Winkel seiner Seele Regungen zusammensuchen,
die das Wesen jener Tänze zu deuten verstatten und auf die
Gemeinschaften hinführen, aus denen sie geboren wurden. /
Die Naturwissenschaft, die es mit den unverstandenen äußeren Dingen
zu tun hat, kann ihren Schwerpunkt im verknüpfenden Denken einerseits
und darum in der Stoffansammlung, der sogenannten Induktion,
andererseits finden. Bildung im engeren Sinn, sofern wir darunter
schöpferische Gestaltung unseres Innern verstehen, vermittelt
Naturwissenschaft nicht. Bildung im Sinne von Innerlichkeit des Wissens
vermittelt außer den philosophischen Fächern allein die
Gesellschaftswissenschaft. Sie ist nach der Philosophie die Königin der
Wissenschaften. Möchte man doch endlich zu der Einsicht kommen, daß
Gesellschaftswissenschaft zu jeder wahren Erziehung unentbehrlich ist,
daß sie neben der Philosophie den andern Brennpunkt der Bildung
bedeutet.
Dem Unterschied gelehrten Stoffsammelns und lediglich
vergleichender Eingebung auf naturwissenschaftlicher Seite gegenüber
innerer
Wesenseingebung,
Wesenserschließung
auf
gesellschaftswissenschaftlicher Seite entsprechen auch verschiedene
Anforderungen
an
den
Forscher
und
Jünger.
Der
gesellschaftswissenschaftliche Forscher muß außer den logischen
Fähigkeiten auch eine Persönlichkeit einsetzen. Das miterlebende
Aufschließen der gesellschaftlichen Gegenstände fordert n e b e n d e m
k l u g e n K o p f e e i n e P e r s ö n l i c h k e i t ! Unser inneres
Wissen vom Leben ist die