Table of Contents Table of Contents
Previous Page  1414 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 1414 / 9133 Next Page
Page Background

16

[7/8]

Gesellschaftswissenschaft ist ihr Erkennen nur äußerlich und ärmlich; es

ist ähnlich, wie wenn die Gesellschaftswissenschaft nur imstande wäre,

die Bewegungen der Gliedmaßen im oben erwähnten Puppenspiele nach

mathematischen Formeln im voraus zu berechnen — inneres Verstehen

ist aber notwendig, um diese Bewegungen zum Gegenstande unserer

Wissenschaft zu machen! Das tut z. B. die Volkswirtschaftslehre, indem

sie die Wirtschafter nicht als mechanische Bewegungspuppen betrachtet

und die Märkte nicht als bloße Warenmengen, sondern das Innere des

Wirtschaftens, die Ziele und die Gültigkeit der Mittel — also überall den

Sinn der Sache, den inneren Wesenszusammenhang — sucht. Dasselbe tut

jede gesellschaftliche Wissenschaft, wobei sich oft schwierige Aufgaben

bieten. Wer durch ein Völkerkundemuseum geht und dort z. B. die auf

den ersten Blick abschreckenden Tanzmasken der Indianer sieht, der muß

sich aus dem dunkelsten Winkel seiner Seele Regungen zusammensuchen,

die das Wesen jener Tänze zu deuten verstatten und auf die

Gemeinschaften hinführen, aus denen sie geboren wurden. /

Die Naturwissenschaft, die es mit den unverstandenen äußeren Dingen

zu tun hat, kann ihren Schwerpunkt im verknüpfenden Denken einerseits

und darum in der Stoffansammlung, der sogenannten Induktion,

andererseits finden. Bildung im engeren Sinn, sofern wir darunter

schöpferische Gestaltung unseres Innern verstehen, vermittelt

Naturwissenschaft nicht. Bildung im Sinne von Innerlichkeit des Wissens

vermittelt außer den philosophischen Fächern allein die

Gesellschaftswissenschaft. Sie ist nach der Philosophie die Königin der

Wissenschaften. Möchte man doch endlich zu der Einsicht kommen, daß

Gesellschaftswissenschaft zu jeder wahren Erziehung unentbehrlich ist,

daß sie neben der Philosophie den andern Brennpunkt der Bildung

bedeutet.

Dem Unterschied gelehrten Stoffsammelns und lediglich

vergleichender Eingebung auf naturwissenschaftlicher Seite gegenüber

innerer

Wesenseingebung,

Wesenserschließung

auf

gesellschaftswissenschaftlicher Seite entsprechen auch verschiedene

Anforderungen

an

den

Forscher

und

Jünger.

Der

gesellschaftswissenschaftliche Forscher muß außer den logischen

Fähigkeiten auch eine Persönlichkeit einsetzen. Das miterlebende

Aufschließen der gesellschaftlichen Gegenstände fordert n e b e n d e m

k l u g e n K o p f e e i n e P e r s ö n l i c h k e i t ! Unser inneres

Wissen vom Leben ist die