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und Adam Müller vorfinden, will eine der kausalmechanischen
Auffassung entgegengesetzte, nämlich eine organische, oder wie wir sagen
wollen, eine ganzheitliche Begriffsbildung durchführen.
In der empiristischen Gesellschaftslehre wäre als wesentlichster innerer Gegensatz der
folgende festzustellen.
Die eine Gruppe, die an Auguste Comte, Herbert Spencer, Albert Schaeffle anknüpft, will
die Gesellschaftslehre als a l l g e m e i n e Wissenschaft von der Gesellschaft auffassen, die
zu den bisherigen gesellschaftlichen Einzelwissenschaften (wie z. B. Volkswirtschaftslehre,
Rechtswissenschaft, Statistik) selbständig hinzutreten soll. / (Ob dabei diese „allgemein“
gedachte Gesellschaftslehre nur eine Zusammenfassung, eine „Prinzipienlehre der
Einzelwissenschaften“, der gesellschaftlichen Einzelwissenschaften sein soll, oder ob sie
mehr als das, nämlich eine Wissenschaft sein soll, die im gesellschaftlichen Ganzen als
solchem einen e i g e n e n Gegenstand findet, das bleibt bei den meisten Verfassern unklar.)
Die andere Gruppe, geführt von Georg Simmel, will die Gesellschaftslehre nur als
b e s o n d e r e Gesellschaftswissenschaft, mit einem eigenen, von den bisherigen
Wissenschaften übersehenen Gegenstande, nämlich den „sozialen Formen“, begründen. —
Die empiristische Gesellschaftslehre wäre somit entweder als a l l g e m e i n e
Gesellschaftswissenschaft zu fassen oder als E i n z e
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w i s s e n s c h a f t von den Formen
der Gesellschaft („formalistische Soziologie“).
Nachdem wir auf diese Weise einen ersten Überblick gewannen,
wenden wir uns zuerst der Betrachtung der empiristischen Richtungen zu.