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große, nicht ausschaltbare Voraussetzung aller gesellschaftlichen

Wissenschaft. Ohne sonderlichen Schaden kann der Naturwissenschaftler

dem Schlage des Famulus Wagner zuneigen, der Gesellschaftsforscher

muß dem Bilde des Faust zustreben. Wäre aber dann nicht der Einwand,

daß wir hiermit das Subjektive in die Wissenschaft einführten, berechtigt?

Nein, denn eine persönliche Voraussetzung fehlt ja nirgends in der

Wissenschaft. Auch das einfachere zerlegende Denken stellt an die

logischen Fähigkeiten des Forschers Anforderungen, die nicht jeder

erfüllen kann. Es zeigt sich ja immer wieder, daß gewisse schwierige

Theorien einfach wegen der großen logischen Anforderungen, die durch

sie gestellt werden, in allen Wissenschaften, z. B. auch in der Mathematik,

nicht völlig durchdringen können, weil immer wieder Vertreter der

Wissenschaft sich finden, die nicht fähig sind, jene schwierigen Gedanken

nachzudenken. Wenn darum das diskursive Denken als die Hochburg der

„objektiven“ Wissenschaft gilt, so hat das nur in dem Sinne Berechtigung,

daß doch auch hier nur diejenigen mitgehen können, welche die

subjektiven Fähigkeiten dazu mitbringen. Daß die Wahrheit nur eine und

für alle verbindlich ist, / das steht außer Frage; ob alle sie mitzudenken, an

ihr teilzunehmen vermögen, wird immer zweifelhaft bleiben.

Auf das Banner der Gesellschaftswissenschaft darf das große Wort

Hölderlins kühnlich als Leitspruch gesetzt werden: „Wer das Tiefste

gedacht — liebt das Lebendigste“. Denn tiefes Denken ist am Gegenstande

der Gesellschaft, die ein verdichtetes Menschentum, eine hinausgebaute

Seele ist, kein verknüpfendes, kein äußerliches, sondern ein das Lebendige

aufschließendes Denken.

Die Frage von „ S e i n u n d S o l l e n“, „Wissenschaft und Politik“, wie sie in den

letzten Jahren so heiß umstritten wurde; ferner die Frage des ursächlichen oder

nichtursächlichen Verfahrens unserer Wissenschaft ist damit aufgerollt. Es ist schon jetzt

klar, daß das erlebende Denken auch den „Wert“ in sich enthält - da alles Erlebte nicht nur

gewußt, sondern auch gewollt wird. An dem Punkte der Eingebung sind Wissen und Werten

einerlei, sind beide noch in ihrem Wurzelpunkte, noch im Stande der Einheit und

Ununterschiedenheit. Diese Fragen hier weiter zu verfolgen ist aber nicht der Ort. Das soll

später geschehen

1

.

1

Weiteres darüber siehe unten: „Verfahrenlehre“, S. 633 ff. und öfter.

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