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Ein System C höherer Ordnung wird sich also um so eher erhalten können,
je mehr die Änderungen seiner einzelnen Glieder, welche für die Gesamtheit
der übrigen Glieder zugleich Änderungsbedingungen sind, Annäherungen an den
Fall 2 bedeuten; dies ist die m u t u a l e F o r m d e r S y s t e m - B e h a u p -
t u n g , die um so mehr erreicht wird, „je mehr die Vitaldifferenz-Aufhebung
eine gegenseitige ist“ und „je mehr die Vitaldifferenzen ausschließlich aus
Non Σ C erwachsen und somit die Bedeutung g e m e i n s c h a f t l i c h e r
erwerben“
1
.
Eine so geartete Betrachtung der einem Systeme C höherer Ordnung gesetz-
ten Vitaldifferenzen (beziehungsweise die Betrachtung der diesen zugeordneten
„psychischen Erscheinungen“, von Avenarius „E-Werte“ genannt) muß offenbar
als s o z i a l w i s s e n s c h a f t l i c h bezeichnet werden. Ihr liegt zugrunde a l s
B e g r i f f d e r G e s e l l s c h a f t d e r B e g r i f f d e s S y s t e m s C h ö -
h e r e r O r d n u n g , a l s B e g r i f f d e s O b j e k t i v a t i o n s s y s t e m s
d e r d e s P a r t i a l s y s t e m s . Sonach ist festzustellen, daß die sozialen Er-
scheinungen nach Avenarius eigentlich k e i n e g e n e r i s c h e V e r s c h i e -
d e n h e i t v o n d e n i n d e n B e r e i c h d e r B e t r a c h t u n g d e s
E i n z e l s y s t e m s C f a l l e n d e n E r s c h e i n u n g e n z e i g e n — so-
mit auch bloß einer Untersuchung von prinzipiell psychologischer Natur unter-
liegen
2
! In der Tat beschreibt Avenarius (soweit er diese Aufgabe überhaupt
in Angriff genommen hat) die „Änderungen des Systems C höherer Ordnung"
als s o l c h e , das heißt eben als Änderungen eines Systems im Avenariusschen
Sinne, mithin von denselben Gesichtspunkten aus, wie die der einzelnen Systeme
C. Die Erhaltung des Systems C höherer Ordnung wird in gleicher Weise un-
tersucht, wie jene des einzelnen Systems C. Bei Avenarius ist somit der Begriff
des Systems C höherer Ordnung oder der Gesellschaft grundsätzlich der gleiche
wie der des individuellen Systems C.
Dieses Verfahren muß als unberechtigt bezeichnet werden. Denn es liegt klar
auf der Hand, daß der B e g r i f f d e r V i t a l d i f f e r e n z a u f d a s
S y s t e m C h ö h e r e r O r d n u n g g r u n d s ä t z l i c h n i c h t a n -
w e n d b a r i s t ; er kann nur in einem uneigentlichen, bildlichen Sinne An-
wendungsfähigkeit besitzen. Von grundlegender Bedeutung ist vor allem, daß
die Schwankungen der Größen f (R) und f (S) bei dem Einzelsystem u n m i t -
t e l b a r u n d n o t w e n d i g Vitaldifferenzen setzen, während sie für das
System C höherer Ordnung stets nur m i t t e l b a r u n d n u r u n t e r
b e s t i m m t e n B e d i n g u n g e n diese Bedeutung zu erwerben vermögen,
nämlich nur dann, wenn das einzelne System C zu solchen Änderungen nach
außen hin fortschreitet, w e l c h e z u g l e i c h Ä n d e r u n g s b e d i n g u n -
g e n f ü r d i e a n d e r e n E i n z e l s y s t e m e C sind
3
. Die vier Formen
1
Richard Avenarius: Kritik der reinen Erfahrung, Bd 1, Leipzig 1888, S. 158.
2
Dies bestätigt auch Avenarius ausdrücklich: „Daß die Abhängigen der
Schwankungen derjenigen Systeme, welche zusammen ein System C höherer
Ordnung bilden, in solcher Zugehörigkeit E-Werte geben möchten, welche von
denen, die wir in den Abhängigen der Schwankungen der einzelnen Systeme für
sich bereits . . . angemerkt haben, generis verschieden seien, steht nicht zu er-
warten.“ (Richard Avenarius: Kritik der reinen Erfahrung, Bd 2, Leipzig 1890,
S. 301.)
3
Man könnte entgegnen: auf diese Tatsache, daß sich die unmittelbaren Be-
dingungen (Komponenten) des Systems, die Individuen, ändern, komme es ja