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worden ist. Wie dies auch Zusammenhänge: was der s o z i a l -
wissenschaftliche Gesichtspunkt gegenüber der gegebenen sozialwis-
senschaftlichen Aufgabe erfordert: die Begründung des Objektes als
eines abstrakten gesellschaftlichen Phänomens (Objektivations-
systems), das haben die bisherigen Versuche zu einer Völker- oder
Sozialpsychologie nicht zu leisten vermocht.
C. Richard Avenarius
Nicht von einer eigentlichen Auseinanderlegung der sozialen
Wirklichkeit in Objektivationssysteme können wir bei Avenarius
reden, wohl aber von einem Begriffe der Gesellschaft, mit dem
gleichzeitig ein besonderer Begriff des Objektivationssystems gege-
ben ist. Aus diesem Grunde und wegen der sonst außerordentlich
lehrreichen erkentnistheoretischen Behandlung des Problems durch
diesen in der allgemeinen Wertschätzung immer noch steigenden
Philosophen, sei es erlaubt, hier quasi anhangsweise über ihn zu be-
richten, obwohl er streng genommen an dieser Stelle nicht so syste-
matisch abzuhandeln wäre.
Avenarius bezeichnet das Zentralnervensystem des menschlichen Individuums
als S y s t e m C. Das System C ist aus zentralen Teil- oder P a r t i a l s y s t e -
m e n zusammengesetzt zu denken, welche letztere eine Vielheit funktionell zu
einer Einheit verbundener Formelemente (Zellen) darstellen. Das System C ist
also hinsichtlich seiner Partialsysteme, und diese sind wieder hinsichtlich ihrer
Formelemente die umfassenden höheren Systeme.
Der Begriff des Systems ist dabei bei Avenarius folgender: „Denken wir uns
zwei . . . Veränderliche V
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und V
2
, gleichgültig wie, aber jedenfalls derart zu-
sammenhängend, daß mit Änderungen von V
1
auch Änderungen von V
2
gesetzt
sind, so bezeichnen wir V
1
in bezug auf V
2
als Ä n d e r u n g s b e d i n g u n g ;
die Änderungen dagegen der zweiten Veränderlichen V
2
als in bezug auf V
1
b e d i n g t e oder a b h ä n g i g e , kürzer als von V
1
bedingte oder abhängige;
und befassen endlich beide Veränderliche unter dem Begriff eines S y s t e m s.“
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Jedes beliebige Partialsystem oder Formelement befindet sich im vitalen Er-
haltungsmaximum, wenn Arbeitsaufwand und Ernährung, Energieverbrauch und
Energieersatz sich kontinuierlich das absolute Gleichgewicht halten. Oder wie
Avenarius dies ausdrückt: f (R [= Reiz, Arbeitsaufwand]) und f (S [= Stoff-
wechsel, Ernährung]) müssen einander das absolute Gleichgewicht halten. Es ist
deutlich, daß f (R) und f (S) auch als einander absolut entgegengesetzte Werte
betrachtet werden müssen; denn würden die Änderungen des Stoffwechsels (die
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Richard Avenarius: Kritik der reinen Erfahrung, 2 Bde, Leipzig 1888 und
1890, Bd 1, S. 25 f.