Table of Contents Table of Contents
Previous Page  1449 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 1449 / 9133 Next Page
Page Background

[38/39]

51

T h e o d o r L i t t : Individuum und Gemeinschaft (1919), 3. Auflage, Leipzig 1926, hält

trotz Annäherung an den Idealismus und Universalismus doch die Wechselwirkungen

aufrecht

1

.

Endlich wäre an dieser Stelle auch Max S c h e l e r zu nennen, der von rein

psychologischen Untersuchungen (über die Sympathiegefühle), auf der Grundlage der

sogenannten Phänomenologie ausging, sich später aber immer mehr der Soziologie zuwandte

und eine der Richtung Simmels verwandte Lehre zu begründen suchte. Der Formalismus in

der Ethik und die materiale Wertethik, Halle 1916; Die Wissensformen und die Gesellschaft,

Soziologie des Wissens, Leipzig 1926

2

.

Simmel leugnet die Möglichkeit, die Gesellschaft als solche einer

eigenen wissenschaftlichen Betrachtungen zu unterziehen; er will die

Soziologie lediglich als neue soziale Einzelwissenschaft gelten lassen. Und

zwar sieht er ihre Aufgabe in der Schaffung einer „ L e h r e v o n d e n

s o z i a l e n F o r m e n“, das heißt „in der Feststellung, systematischen

Ordnung, psychologischen Begründung und historischen Entwicklung der

reinen Formen der Vergesellschaftung“

3

. Gegenstand der Soziologie sind

„die

formalen

Gesetze

des

wechselweisen

Wirkens

oder

Vergesellschaftens“

4

.

Solche Formen der Vergesellschaftung sind nach Simmel: Über- und Unterordnung,

Konkurrenz, Nachahmung, Arbeitsteilung, Vertretung, Parteibildung, Gleichzeitigkeit des

Zusammenschlusses nach innen und des Abschlusses nach außen, quantitative Bedingtheit

der Gruppen. Diese Formen sind den verschiedensten sozialen Gruppierungen gemeinsam.

Der Erforschung der „Inhalte“ hingegen, die sich dieser Form bedienen, haben sich nach

Simmel die bisherigen gesellschaftlichen Einzelwissenschaften bemächtigt, welche dadurch

die gesellschaftlichen Erscheinungen so unter sich aufgeteilt haben, „daß eine Soziologie, die

die Totalität dieser Erscheinungen ... umfassen wollte, sich als nichts anderes ergeben konnte,

denn als eine Zusammenfassung jener Wissenschaften“

5

.

An diesen Gedanken ist zweierlei auseinander zu halten:

1.

Der / Begriff der „sozialen Form“, von dem klar ersichtlich, daß er

schließlich nichts anderes als die psychische Wechselwirkungsweise, und

zwar der Einzelnen, ist;

2.

die Behauptung, daß es Gesellschaft als solche nicht gebe. Dieser

letztere Gedanke ist der wichtigste, den Simmel geltend macht, wir wollen

ihn darüber ausführlicher hören.

1

Siehe unten S. 64.

2

Gegen Schelers Lehre von der Gleichursprünglichkeit siehe unten S. 77 und öfter und

die Vorrangsätze, S. 426 ff. und öfter.

3

Georg Simmel: Soziologie, Leipzig 1908, S. 9.

4

Georg Simmel: Soziologie, Leipzig 1908, S. 17.

5

Georg Simmel: Soziologie, Leipzig 1908, S. 9.