Table of Contents Table of Contents
Previous Page  226 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 226 / 9133 Next Page
Page Background

225

2. Was das Verhältnis Definition der Soziologie („Wissenschaft

von den Beziehungsformen der Menschen untereinander“) zur Gül-

tigkeit des Problems eines Gesellschaftsbegriffes (die in jener Defi-

nition angezweifelt erscheint) überhaupt anbelangt: entweder steht

das spezifisch Gesellschaftliche bei S i m m e l als „Form“ zum „In-

halte“ im Verhältnis von Prinzip und Akzidentien — dann beruht

S i m m e l s Definition der Soziologie gleichfalls auf einer bestimm-

ten Lösung (und somit Anerkennung) des gesellschaftsbegrifflichen

Problems; oder aber S i m m e l s „Form“ ist nur ein Teilgebiet,

ein Spezialfall von „Inhalten“ — dann ist die Soziologie aber nur

eine soziale Einzel-Wissenschaft und für das gesellschaftsbegriffliche

Problem keine direkt zuständige Instanz mehr. Vielmehr muß das

Problem eines Gesellschaftsbegriffes immer schon dann als gültig

und als in positivem Sinne lösbar anerkannt werden, sobald man

nur überhaupt über die sozialen Einzel-Wissenschaften aus innerer

methodologischer Notwendigkeit hinausgeht.

1

. D i e e r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h e n V o r f r a g e n

S i m m e l geht in der soziologischen Untersuchung von der er-

kenntnistheoretischen Frage nach der Möglichkeit und dem Evi-

denzcharakter sozialwissenschaftlicher Erkenntnis aus

1

. Die Objekte

derselben sind äußerst komplizierten Aufbaues. Jede gesellschaft-

liche Erscheinung oder jeder gesellschaftliche Zustand ist ein Kom-

plex oder Gesamtzustand, das heißt die Wirkung vieler Teilzustände.

Nun bewegt sich nach S i m m e l zwar jedes Element der sozialen

Komplexe nach bestimmten Gesetzen, jedoch gibt es für das Ganze,

für den Komplex als solchen kein selbständiges Gesetz

2

. Versteht

man unter Gesetz einen Satz „demgemäß der Eintritt gewisser Tat-

sachen unbedingt — das heißt jederzeit und überall — den Eintritt

gewisser anderer zur Folge hat“

3

, so führt dies auf folgende Über-

legung:

Erscheint es uns gesetzlich, daß der Gesamtzustand A in den Ge-

1

Georg Simmel: Über soziale Differenzierung, 2. anastatischer Neudruck der

Auflage von 1890, Leipzig 1905, S. 1 ff.

2

Georg Simmel: Über soziale Differenzierung, a. a. O., S. 9 und öfter.

3

Georg Simmel: Die Probleme der Geschichtsphilosophie, Leipzig 1892, S. 34

(2. Aufl., Leipzig 1905, S. 67 ff.).

15 Wirtschaft und Gesellschaft