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Auch hier ist das Abschwenken vom praktischen Kommunismus

merkwürdigerweise begleitet von einem deutlichen Zuge zum Stän-

dischen. Man sehe sich doch einmal das Sozialisierungsprogramm der

österreichischen sozialdemokratischen Partei, das der sehr links ste-

hende Otto Bauer entworfen hat, an: Es ist eigentlich kein kommu-

nistisches Sozialisierungsprogramm mehr, das heißt eines, welches

auf der Zentralisierung, auf der Kollektivierung der Erzeugungs-

mittel, beruhte; sondern in ihm liegt deutlich ein Zug zu berufs-

genossenschaftlicher, also ständischer Organisation, zur Verzünfti-

gung der Wirtschaft.

So sehen wir heute statt des Einen Marxismus zwei Parteien mit

auseinandergehender Marschrichtung vor uns. Das Unerhörte, wir

müssen es immer wieder sagen, ist geschehen, daß im Augenblick des

Sieges ein solcher innerer Bruch eintreten konnte. Entscheidend ist

auch das, daß in beiden Abspaltungen zugleich der Zug nach mehr

Universalismus zu sehen ist.

/

Alles in allem veranschlagt, dürfen wir den Gang der Revolution

hoffnungsvoller beurteilen. D i e s e R e v o l u t i o n i s t t r o t z

ä u ß e r l i c h e n S i e g e s d e s I n d i v i d u a l i s m u s d e r

e r s t e g r o ß e K a m p f d e r M e n s c h h e i t s e i t d e r

R e n a i s s a n c e , d e r d e n I n d i v i d u a l i s m u s b e s e i t i -

g e n w i l l . Das Geistige in uns will wieder zurück aus der Ver-

einsamung und Armut der verselbständigten Einzelnen. Das innere

Leben, das ein Leben der Gemeinsamkeit sein muß, will wieder in

ihm lebendig werden, will wieder in den Vordergrund treten, vor

freier Wirtschaft, Nutzen und Äußerlichkeit.

Eben darum aber dürfen wir uns allerdings nicht träumen lassen,

daß diese Revolution zu Ende sei. Denn es sind erst die Geburts-

wehen des Universalismus, in denen unsere Zeit jetzt zuckt und sich

windet, nicht schon dessen Geburt selbst. Der große Niederbruch

des Marxismus, der ganzen sozialistischen Sehnsucht der Massen,

muß erst noch vor sich gehen, die ungeheure Enttäuschung der Ar-

beiterschaft erst noch durchgelitten werden; am meisten aber ihre

Entwirtschaftung, ihre Entmaterialisierung vollzogen werden. Der

Arbeiterschaft hat man täglich gesagt: Alles Wahre und Gute ist

nicht an sich, es ist nur Erfindung der Klassenherrschaft, des Klas-

senrechtes, der Bourgeois-Ideologie, des Ausbeutungs-Raffinements.

Nun merkt sie plötzlich, daß dem nicht so ist, daß nicht überall, wo