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Wir werfen vorerst einen Blick auf das V e r f a h r e n , welches

alle individualistische Volkswirtschaftslehre bewußt oder unbewußt

beherrscht: Es ist durch das Streben, N a t u r g e s e t z e der Wirt-

schaft zu finden, gekennzeichnet; und das führt wieder auf die ein-

zelnen Menschen als die letzten W i r t s c h a f t s a t o m e hin (wie

sich später noch zeigen soll).

Hier ist entscheidend, daß die Entstehung der individualistischen

Volkswirtschaftslehre in jene Zeit fällt, da die A u f k l ä r u n g

ihren Sieg feierte. Die Physiokraten legen den Grund, Adam Smith

und Ricardo bauen das Gebäude auf. Später wird der gleiche volks-

wirtschaftliche Systemgedanke von den verschiedenen Nachfahren

und Schulen Ricardos vorgetragen. Außer John Stuart Mill und

außer Karl Marx (sofern er in seiner theoretischen Analyse des Wirt-

schaftsganges durchaus Ricardo folgte) sind aus der neueren Zeit zu

nennen: die österreichische, französische und englische Grenznutzen

schule, ferner die rein mathematischen Schulen, darunter insbeson-

dere Cassel, dessen Lehrbuch heute in Deutschland sehr verbreitet

ist.

Die individualistische Theorie geht in allen diesen Formen

grundsätzlich und überall zuletzt von dem Tun des E i n z e l -

n e n aus. Hiermit haben wir den ersten Systemgedanken der indi-

vidualistischen Volkswirtschaftslehre vor uns. Der Individualismus

gleicht hierin dem individualistischen Naturrechte der Staatslehre.

Dieses ging, um den Staat zu erklären, von der Annahme aus, daß

es ursprünglich keinen Staat gegeben habe. In diesem Zustande, im

„Naturzustande“, lebten die Menschen einzeln, für sich. Aber es

herrschte das „bellum omnium contra omnes“, der Krieg aller

gegen alle, / wie ihn namentlich Hobbes schilderte. Darum schließen

sich nach dieser Meinung die Menschen durch Vertrag zu einem

Staate zusammen, damit sie jenem unpraktischen Zustande entge-

hen und jeder seine individuellen Ziele besser verfolgen könne. Der

Staat wird demnach als ein utilitarisches Gebilde betrachtet, das aus

dem Zusammentreten der einzelnen Menschen (dem Vertrage) ent-

stünde. — Eben diesen Gedanken übernimmt die physiokratische

Volkswirtschaftslehre: es ist, sagt sie, ein Urrecht eines jeden Men-

schen, sein Schicksal so günstig als möglich zu bestimmen. Das heißt

aber nichts weniger als: vom Tun des Einzelnen aus entsteht die